Hintergrund: Das Umfeld der Rechtsterroristen, deren Sympathisanten und der Freibund

Frage: Was haben der Freibund – Bund heimattreuer Jugend und der Nationalsozialistische Untergrund gemeinsam?  

Antwort: Beide wurden bislang nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

Sagt der Verfassungsschutz…

Spaß beiseite:

Jenseits aller Polemik und vielleicht lange überfälliger Diskussionen über die Aussagekraft von Einschätzungen der Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern lohnt sich aber auch auf diesem Blog ein Blick auf den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU).

…Und den Freibund…

Man mag annehmen, dass Schnittmengen wohl kaum zu finden sein werden zwischen der größten bekannt gewordenen rechtsextremen Terrorzelle der Nachwendezeit und einer „jugendbewegten“ Gruppierung wie dem Freibund – Bund heimattreuer Jugend.

Oder etwa doch?

Wie in den vergangenen Wochen durch eine Veröffentlichung auf Publikative.org bekannt wurde, muss die Existenz der Terrorzelle aus Zwickau in der rechtsextremen Szene schon seit langem bekannt gewesen sein. Davon zeugen unter anderem Lieder zweier rechtsextremer Bands, die recht offensichtlich vom Untertauchen und dem Morden des „NSU“ handeln. Das bekanntere der beiden ist das Lied „Dönerkiller“ der Band „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“, 2010 erschienen auf dem Album „Adolf Hitler lebt“. Zwei weitere erschienen bereits 1999, ein Jahr nach dem Untertauchen des Trios. Das „Duo Eichenlaub“ besingt ihre Kamerdaden, die nach einem Sprengstofffund in Jena von der Bildfläche verschwanden. Zeit Online berichtet

Schon ein Jahr nach dem Abtauchen von Beate Z[schäpe], Uwe M[undlos] und Uwe B[öhnhardt] widmete das Nazi-Liedermacher-Duo Eichenlaub aus Thüringen den flüchtigen Rechtsterroristen eine Lobeshymne. Zu der Melodie von „Knockin’ on Heaven’s Door“ singt eine Frauenstimme theatralisch: “Die Polizei kam euch auf die Spur. Nun hieß es Abschied, für wie lange nur?” Der Titel “5. Februar” bezieht sich offensichtlich auf den Tag, an dem die drei endgültig beschlossen, in den Untergrund zu gehen. “Ihr saht wohl keinen anderen Weg […] doch jetzt ist es zu spät”, geht das Lied weiter. “Wir denken oft an Euch” Der letzte Satz des Textes deutet auf weitere Aktionen der Flüchtigen hin: “Die Kameradschaft bleibt bestehen […] der Kampf geht weiter nur voran, für unser deutsches Vaterland.” Wie eng der Kontakt zwischen der Band und Z., M. und B. war, zeigt ein Interview, das die Liedermacher einer Zeitschrift des Nazi-Musiknetzwerkes “Blood & Honour” im Jahr 2000 gaben. Auf die Frage, worum es in dem besagten Lied genau geht, antworten die Musiker: “Trotzdem stehen wir zu dem, was unsere drei Kameraden da getan haben. Wir, die sie wohl am besten kannten, können uns mittlerweile ganz gut vorstellen, warum sie diesen zweifelhaften Weg gegangen sind. Aber wir verurteilen sie deswegen nicht, eben weil wir sie auch irgendwie verstehen können.”

In der taz wird über das Duo Eichenlaub im gleichen Zusammenhang berichtet

Der Texter des Songs kannte die Untergetauchten gut. Es ist Christian K., Bruder von Andre K., einem der engsten Kameradschaftsfreunde von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe [Anm: im Thüringer Heimatschutz] in Jena. „Wir, die sie wohl am besten kannten, können uns mittlerweile ganz gut vorstellen, warum sie diesen zweifelhaften Weg gegangen sind“, sagte Christian K. 2000 in einem Interview für ein rechtsextremes Fanzine. Man stehe zu dem, „was unsere drei Kameraden da getan haben“.

Und was hat der Freibund damit zu tun?

Nur ein Jahr nach der Veröffentlichung dieser Lieder durch das „Duo Eichenlaub“ fand mit aktiver Beteiligung des Freibundes im mittlerweile wegen fortdauernder Holocaustleugnung verbotenen Collegium Humanum, ein „Musikfest“ der nationaloppositionellen Zeitschrift „Wir selbst“ statt.   Wir selbst erschien seinerzeit im ultrarechten Siegfried Bublies Verlag.

Die Liedbeiträge dieses Musikfestes, das vom ehemaligen Republikaner-Kreistagsabgeordneten Friedrich Baunack organisiert wurde, erschienen auf CD gebrannt als Sampler unter dem Titel           „Liedg(l)ut“. Neben dem Freibund ist auch der wegen volksverhetzender Inhalte mehrfach indizierte Liedermacher Marco Laszcz, der unter dem Namen Sleipnir auftritt und auch mehrere Beiträge zur bekannten Schulhof-CD der NPD beisteuerte, vertreten. Laszcz ist hier beim Musizieren auf einer NPD-Kundgebung im September 2011 in Berlin zu sehen.

Darüber hinaus steuerte auch eben jenes Duo Eichenlaub zwei Lieder zum „Musikfest“ bei. In einer Stellungnahme zur „Liedg(l)ut“- CD bezeichnet der Freibund Sleipnir szenetypisch verharmlosend als einen „nationalen Liedermacher“, zu dem über das Musikfest im Collegium Humanum hinaus kein Kontakt bestünde. Noch 2005 bestätigte Björn R., damals Mitglied der Bundesführung des Freibundes gegenüber dem Autor die Teilnahme an diesem Fest und gab an, man werde an einem ähnlichen Fest auch in Zukunft wieder teilnehmen, insbesondere auf Einladung des damaligen Organisators Friedrich Baunack. Baunack, dessen Tochter als Jugendliche selbst Freibund-Lager besuchte, beschrieb Björn R. 2005 als „einfach liebenswürdig“.

Das Duo Eichenlaub hatte zum Zeitpunkt des Treffens mit Freibund, Braunack und Laszcz beste Kontakte in das mittlerweile verbotene Blood-and-Honour-Netzwerk. Das ARD-Magazin MONITOR berichtete am vergangenen Donnerstag über die auffälligen Parallelen, zwischen der Taktik dieses aus Großbritannien stammenden und europaweit agierenden Untergrundorganisation und dem Vorgehen der Zwickauer Terroristen.

Bei einem Konzert der niedersächsischen Sektion von Blood and Honour im Jahr 1999, also im selben Jahr, als auch die Lieder über die Untergetauchten veröffentlicht wurden, sang das Duo Eichenlaub mit dem Thüringenlied auch eines der Lieder, die sie zum Liedg(l)ut-Sampler beisteuerten. Ein anderes Lied hat den Refrain „Weißer arischer Widerstand“, den der Sänger am Ende des Liedes in „Weißer thüringer Heimatschutz“ umdichtet. Am Ende des Konzertes, begleitet die weibliche Hälfte des Duos zwei ehemalige Mitglieder der britischen Nazi-Band Screwdriver als Background-Sängerin. Während dieses Liedes zeigen eine Reihe von Gästen den Hitlergruß.

Sonst noch was?

Am vergangenen Donnerstag wurde im brandenburgischen Grabow ein weiterer mutmaßlicher Helfer der Thüringer Rechtsterroristen auf dem Grundstück seines Bruders durch Spezialkräfte der Polizei festgenommen. Haus und Grundstück wurden nach der Festnahme durchsucht. Unter der Überschrift „Schwarze Fahne und Umweltschutz“ zeigt SPIEGEL-online ein Interview mit einem Nachbarn des Eigentümers. Besonders interessant ist die ominöse „schwarze Fahne“, die der Nachbar beschreibt.

Die Fahne die der Mann beschreibt ist die Fahne der Landvolkbewegung. Diese bäuerliche Protestbewegung entstand Ende der Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts in Schleswig-Holstein. Während ein Flügel dieser Bewegung Gewalt ablehnte, verübte der völkische Flügel unter Bauer Claus Heim Bombenanschläge auf Behörden und verschiedene Landräte. Die Landvolkbewegung stand schon früh dem Nationalsozialismus nahe. Bei der Reichstagswahl 1928 erzielte die NSDAP in den Gegenden der Landvolkbewegung gute zweistellige Ergebnisse, während sie im übrigen Reichsgebiet noch unter drei Prozent erreichte. Eben diese Landvolkbewegung zählt der Freibund – Bund heimattreuer Jugend zu seinen erklärten Vorbildern. In einer Schwerpunktausgabe zur Schwarzen Fahne, die auch das Symbol des Freibundes ist, gibt es zahlreiche Bezüge und gleich mehrere Artikel, die darauf hinweisen sollen, wie sehr der Ideologische Gehalt der Freibund-Fahne neben anderen Einflüssen auch von der Landvolkbewegung inspiriert ist. Dort heißt es:

Mit der Landvolkbewegung solidarisierten sich auch viele Bündische. Besonders aus der Artamanenbewegung kam reichlich Zuspruch für die Not der Bauern. Die vom Artamanenführer A. Georg herausgegebene Zeitschrift „Blut und Boden“ berichtete unter der Rubrik „Unter der schwarzen Fahne Florian Geyers“ seit 1929 regelmäßig über die Landvolkbewegung und führte seitdem als Titelsignet eine Schwarze Fahne.

(Sven Reiß, Aktivensprecher der Deutschen Gildenschaft in: na klar!, 20 Jahre Schwarze Fahne, Der Freibund, Göttingen 2008)

In einem Artikel über „Die Schwarze Fahne in Geschichte und Gegenwart. Vom politischen Gehalt unserer Fahne“ geht ein weiterer Autor auf die Landvolkbewegung ein:

Der entschiedende historische Anker für unseren Zugang zur Schwarzen Fahne liegt allerdings in der Weimarer Republik begründet. In dieser Zeit voller Wirren benutzten Freicorps, die die deutsche Ostgrenze sicherten, sie ebenso wie die Landvolkbewegung um Bauer Claus Heim und Gruppen der Bündischen Jugend. Es war damals kein Zufall, dass die Schwarze Fahne gehisst wurde.

Neben diesen Erwähnungen gibt es in der gleichen Ausgabe noch zwei weitere Artikel, die sich mit dem Buch von Hans Fallada und der Verfilmung desselben von Egon Monks beschäftigen. Der Titel: „Bauern, Bonzen, Bomben“. Die Namensgebung Falladas scheint den jeweiligen Autoren und der Redaktion der Freibund-Zeitschrift so gut gefallen zu haben, dass gleich beide Beiträge diesen Titel tragen. So ist es vielleicht genauso wenig ein Zufall, dass auf dem Grundstück des Zwillingsbruders des mutmaßlichen Terrorhelfers ausgerechnet die Fahne der Landvolkbewegung geweht haben soll. Wie der Tagesspiegel am Freitag meldete, wird in Sicherheitskreisen derzeit über eine mögliche Mitgliedschaft der Brüder in der 2009 verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) gesprochen. Der Tagesspiegel schreibt:

Einige Sicherheitsexperten sagen, André E. und seine Frau hätten in der HDJ hochrangige Posten innegehabt, andere Fachleute hingegen schreiben nur Maik E. eine Rolle in der Organisation zu. (…) Maik E. stand nach Tagesspiegel-Recherchen auch nach dem Verbot der HDJ in engem Kontakt zu ehemaligen Führungspersonen, die ebenfalls in Brandenburg leben.

Zwischen dem Freibund und der HDJ bestanden bis zu deren Verbot jahrelange Kontakte. Nach der Abspaltung der HDJ aus dem Freibund 1990 war das Verhältnis zwischen beiden Gruppen nicht immer einfach – man stand in Konkurrenz um die Frage, welche der Organisationen der „legitime“ Nachfolger des alten Bund Heimattreuer Jugend (BHJ) sei. Dennoch fanden seit Beginn der Neunzigerjahre gemeinsam mit anderen rechten Jugendbünden regelmäßig Zeltlager, Tanztreffen und „überbündische Akademien“ statt an denen neben anderen rechten Jugendbünden auch Freibund und HDJ teilnahmen. Nachweislich trafen sich Freibund und HDJ noch im Mai 2008 zu einer Tanzveranstaltung auf dem „Slohof“. Wohl um die Freibundmitglieder zu ärgern, klauten einige HDJ-Mitglieder dort zwei Wimpel. Die Bundesführung des Freibundes kommentiert dieses Ereignis in einem bundesinternen „Führerbrief: „Daß sich dies auf einem Fest wie diesem nicht gehört, leuchtete ihnen nicht ein.“ Als  Hinweis auf ernsthafte politische Differenzen kann das wohl nicht gewertet werden, eher als kindische Auseinandersetzungen innerhalb des Milieus. Ist es also zu gewagt, danach zu fragen, ob der Freibund und das Umfeld der mutmaßlichen Helfer der Zwickauer Terrorzelle eine gewisse geistige Nähe aufweisen? Wohl kaum. Ein so spezielles Interesse wie das an der historisch aus heutiger Sicht nahezu unbedeutenden Landvolkbewegung zu teilen, kann auf eine solche geistige Nähe schließen lassen.

„Killer-Döner“ Thüringer Art

Eine ähnliche geistige Nähe zu mutmaßlichen Sympathisanten der rechtsextremen Mörderbande weist offenbar das Internetportal „Blaue Narzisse“ auf, deren Chefredakteur das Freibund-Mitglied Felix Menzel ist.

Menzel war 2008 für die Kontoführung des Freibundes zuständig und fungierte im selben Jahr als Kontaktperson u.a. für die Sonnenwendfeier in der brandenburgischen Prignitz. Er tritt als Referent des Instituts für Staatspolitik auf und ist Autor in dessen Zeitschrift Sezession in der er sich schon 2008 für eine „rechte Milieubildung“ aussprach, welche unter anderem in der bündischen Jugend stattfinden solle. Gelegentlich ist er auch Autor der Jungen Freiheit, der er mit seinem Projekt „Blaue Narzisse“ nachzueifern versucht.

Menzel macht seit 2010 durch die zunehmende Radikalisierung der “Blauen Narzisse” auf sich aufmerksam. Im April 2010 berichtete er von seiner Teilnahme an einem Jugendseminar des NPD-nahen “Bildungswerk für Heimat und nationale Identität”. Menzel pflegte bereits in der Vergangenheit Kontakte ins Milieu der “Jungen Nationaldemokraten” (JN).

Vor fast genau einem Jahr veröffentlichte die Blaue Narzisse ein Interview mit Rodrigo Diaz, dem Designer des rechtsradikalen Modelabels „RCQT“. Wie vergangenen Donnerstag bekannt wurde, wird seit kurzem ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung gegen zwei Geschäftsführer der Firma geführt. Am vergangenen Dienstag ließ die Berliner Staatsanwaltschaft die Räume des Klamottenherstellers durchsuchen und Textilien beschlagnahmen. Die Homepage des Unternehmens ist mittlerweile ebenfalls nicht mehr erreichbar.

Die Motive von RCQT sind in ihrer Gesamtheit als rassistisch, ausländerfeindlich und islamophob einzuordnen. Schon in der Vergangenheit hatten hier Hausdurchsuchungen stattgefunden, als im Internetversand der Firma Sturmfeuerzeuge angeboten wurden, die angeblich aus „Recyclingmaterial aus Original-Stolpersteinen“ bestehen sollten. Die gemeinten Stolpersteine sollen an Menschen erinnern, die während der Zeit des Nationalsozialismus verschleppt und ermordet worden sind. Neben dem Feuerzeug gab es im Sortiment der Firma weitere Motive die indirekt zur Beschädigung oder Entfernung von Stolpersteinen aufriefen. Traurigerweise wurden Stolpersteine tatsächlich bereits wiederholt von Rechtsextremisten beschädigt oder zerstört, wie hier in Berlin-Lichtenberg oder erst in der vergangenen Woche in Berlin Schöneberg.

Auslöser der neuesten Ermittlungen war ein ebenso menschenfeindliches Motiv, dass die Sympathien der rechten Modefirma mit den Mördern der Zwickauer Zelle zum Ausdruck brachte: Das Motiv trug die Aufschrift „Killer-Döner Thüringer Art“ und zeigte einen Dönerspieß in welchen ein verzerrtes Gesicht montiert wurde.

RCQT war bereits mit dem Versuch gescheitert, sein Markenzeichen, ein stilisiertes Eisernes Kreuz, als Markenzeichen eintragen zu lassen. Gegen eine Ablehnung legte die Firma vor dem Patentgericht Beschwerde ein. Dieses attestierte dem Modelabel im März dieses Jahres in seinem Beschluss fremdenfeindliche, rassistische und religiös diffamierende Inhalte, die nicht schützenswert seien.

Alles schonmal da gewesen

Die „Zwickauer Zelle“ ist nicht die erste rechtsextreme Terrorgruppe in Deutschland und wird auch nicht die letzte sein. Sie ist lediglich die erste bekannte Gruppe dieser Art, die nach der der deutschen Einheit 1990 aktiv wurde und aufgeflogen ist.

Ein Beispiel: In den frühen Achtzigerjahren verübte eine Gruppe von Rechtsextremisten Autobombenanschläge auf Fahrzeuge und Angehörige der amerikanischen Streitkräfte in der Bundesrepublik. Finanziert wurden die Attentate – ebenso wie die der Zwickauer Zelle – durch Banküberfälle. Die Täter stellten seinerzeit überrascht fest, dass ihre Aktionen von der bundesdeutschen Medienlandschaft als vermeintliche Anschläge der linksextremen RAF interpretiert wurden. Ähnlich wie die nun bekannt gewordene Mordserie mit dem menschenverachtenden Begriff „Dönermorde“ betitelt wurde, und Polizei und Medien sich in Spekulationen über Milieutaten unter Migranten ergingen. Damals wie heute veröffentlichte die Gruppe keine Bekennerschreiben, nur ein allgemeines Pamphlet, dass keinen Bezug zu den einzelnen Taten erkennen ließ. Kopf der Gruppe war der damalige Neonazi Odfried Hepp.

Seine frühe politische Sozialisation erfuhr Hepp im Bund heimattreuer Jugend.

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