Thüringer Staatsschutz listet Freibund unter „rechtsextremistisch/rassistisch“ auf

In einem internen Schreiben des Landeskriminalamtes Thüringen an das zuständige Innenministerium wird der Freibund – Bund Heimattreuer Jugend in einer Reihe mit anderen „rechtsextremistischen und rassistischen Gruppen“ aufgeführt. Anlass war eine Kleine Anfrage im Thüringischen Landtag. Das Innenministerium behielt dies jedoch für sich.

 

Am 28. Dezember stellte die thüringische Landtagsabgeordnete Sabine Berninger (Die Linke) eine Kleine Anfrage an die Landesregierung. Darin erkundigte sie sich in sechs Einzelfragen detailliert nach rechtsextremen und rassistischen Veranstaltungen, Aktivitäten, Konzerten und Ausschreitungen im Zeitraum zwischen Oktober und Dezember 2007.

Die vierte Frage lautete

Welche rassistischen oder rechtsextremistischen Parteien, Organisationen, Gruppen, Bands und Publikationen und Verlage gab es in den Monaten Oktober bis Dezember 2007 in Thüringen und wie sind sie in Erscheinung getreten?

Es ist üblich, das eine so befragte Landesregierung ihre untergeordneten Behörden mit der Zusammenstellung derjenigen Informationen beauftragen, die zur Beantwortung notwendig sind. In einem solchen Fall ist das Innenministerium betroffen. Dieses fordert die Informationen also von seinem Landesamt für Verfassungsschutz und dem polizeilichen Staatsschutz an. So auch in diesem Fall.

Das Landeskriminalamt, Abteilung 2 (Staatsschutz), listet am 15.2. 2008 in seiner Stellungnahme an das Innenministerium eine Reihe von Organisationen auf, die verschiedene Veranstaltungen durchgeführt haben. Der Bezug zur kleinen Anfrage der Abgeordneten ist aus dem Betreff des Schreibens ersichtlich. Es ist jeweils das Datum, der Ort, das Ereignis und die jeweils örtlich zuständige Polizeidirektion (PD-Bereich) genannt. Offensichtlich war im letzten Quartal des Jahres 2007 so einiges los im beschaulichen Thüringen. 25 Veranstaltungen von rassistischen und extremistischen Gruppen und 78 Straftaten gab das LKA zu Protokoll:

Es werden zwei „Treffen der ‚Exilregierung Deutsches Reich’“ aufgeführt, eines der „Gesellschaft für freie Publizistik“, verschiedene Veranstaltungen und Treffen der „rechten Szene“ allgemein, eine „Verteilaktion von Flyern durch die Kameradschaft Apolda“ sowie eine Reihe von Konzerten von Nazi-Bands. Die besonders völkisch geprägten Gruppen tauchen am Ende der Liste auf. So wird ein „Treffen der Artgemeinschaft ‚Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.’“ vom 7. bis 9. Dezember in Ilfeld, eine „Versammlung der rechten Szene zur ‚Erhaltung der heidnischen Kultur’“ am 21. Dezember in Greiz und eine weitere „Sonnenwendfeier der rechten Szene“ am Folgetag in Berlingeroda genannt.

Am Ende der Auflistung findet sich das „Bundeswinterlager ‚Der Freibund e.V.’“ vom 29. Dezember 2007 bis zum 6. Januar 2008 in Großlohra.

Erkenntnisse des Staatsschutzes „nicht offen verwertbar“?

Am 25. März 2008 legte das Thüringer Innenministerium (gemessen an der Geschäftsordnung des Landtages mit sechswöchiger Verspätung) die schriftliche Antwort auf die Kleine Anfrage vor. Die Beantwortung ist fast ebenso detailreich wie die Anfrage, jedoch ist es wiederum üblich, dass aus „operativen Gründen“ nicht alle vorliegenden Erkenntnisse zu jeweils agierenden Gruppierungen vorgetragen werden. Aus diesem Grunde Enthält die Antwort eine Vorbemerkung:

Die Landesregierung sieht von Auskünften, die Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Sicherheitsbehörden und insbesondere des Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz zulassen, ab. Die nachfolgenden Angaben beziehen sich ausschließlich auf solche Erkenntnisse, die offen verwertbar sind. Für weiterführende Auskünfte steht die Landesregierung gegebenenfalls der Parlamentarischen Kontrollkommission zur Verfügung.

So finden sich in der Antwort zur genannten vierten Teilfrage einerseits eine Reihe von Veranstaltungen, die in der Stellungnahme des Staatsschutzes nicht erwähnt waren. Darunter etliche NPD-Veranstaltungen, ein rundes Dutzend „Heldengedenkveranstaltungen“ von „Rechtsextremisten“ zum Volkstrauertag am 18. November. Auch eine Reihe der vom Staatsschutz aufgelisteten Ereignisse finden sich hier wieder. So etwa die Treffen der „Exilregierung Deutsches Reich“, der „Deutschen Freiheitsbewegung“und der „Artgemeinschaft“. Das Winterlager des Freibundes sucht man jedoch vergebens. Ob dies daran liegt, dass das Innenministerium die Auffassung ihrer Ermittlungsbehörde zum „rassistischen und rechtsextremen“ Charakter des Freibundes nicht teilt, oder daran, dass eine Erwähnung „Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Sicherheitsbehörden und insbesondere des Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz zulassen“ bleibt der Spekulation überlassen. Viel Phantasie braucht man an dieser Stelle jedoch nicht aufzubringen.

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