Der Umgang mit rechten Gruppen auf dem Singewettsreit in Würzburg und St. Goar – damals und heute.

wuerzburger_singewettstreit

Heute erschien auf dem von Aktivensprecher der Deutschen Gildenschaft betriebenen Blog „Bündische Vielfalt“ eine Meldung aus der hervorgeht, dass die Betreiber dieser Seite von den Organisatoren des Rheinischen Singewettstreites in St. Goar am Rhein darum gebeten wurden, die Einladung zu dieser Veranstaltung wieder von ihrer Seite zu nehmen.

Für den Außenstehenden konnte die Veröffentlichung dieser Einladung suggerieren, dass das Milieu der „bündischen Vielfalt“ und das der Besucher des Rheinischen Singewettstreites identisch sei. Doch was sind die Hintergründe der Löschung? Diese unscheinbare kleine Blog-Meldung hat eine jahrelange Vorgeschichte:

Der Rheinische Singewettstreit in St. Goar hat seine Wurzeln im Augsburger –später Würzburger Singewettstreit. Nach einer langen Zeit in der sich dort teils extrem rechte Gruppen trafen und die Veranstaltungen deswegen aus Teilen der bündischen Szene heftige Kritik einstecken musste, haben die Veranstalter nach einer zweijährigen Pause mit dem Umzug nach St. Goar einen Neubeginn unternommen, der sich auch in einer Distanzierung und einem Ausschluss des Freibund – Bund heimattreuer Jugend ausdrückte.

Die von 1992 bis 1995 zunächst in Augsburg stattfindende Veranstaltung war von Beginn an die „konservative Alternative“ zum Hamburger Singewettstreit und in der Größe mit regelmäßig etwa 1000 Teilnehmern die zweitgrößte jährliche überbündische Veranstaltung. Die Teilnehmer und Zuschauer des Würzburger Singewettstreites waren jedoch in vielen Fällen weit mehr als nur konservativ. In den ersten Jahren spielte die Katholische Pfadfinderschaft Europas (KPE) im Organisationskomitee eine entscheidende Rolle. Die KPE gilt als sektenähnliche, katholisch-fundamentalistische Vereinigung, in deren Schriften sich in der Vergangenheit auch vereinzelt antisemitische Äußerungen fanden.

Der Umzug der Veranstaltung von Augsburg nach Würzburg 1995 fand auf Veranlassung des Augsburger Bischofs Josef Dammertz statt, der die Mitglieder des von Pater Andreas Hönisch und anderen KPE-Mitgliedern gegründeten Orden Diener Jesu und Mariens (Servi Jesu et Mariae, SJM) aufgefordert hatte, sein Bistum zu verlassen. Als Begründung wurde die Ablehnung der Neuerungen des zweiten vatikanischen Konzils durch den Orden angegeben. Zeugen berichten, dass Pater Hönisch Während der Durchführung des Singewettstreits, durch homophobe Äußerungen aufgefallen war, die er in seiner Eigenschaft als Moderator von der Bühne herunter machte, nachdem in einer Toilette des Veranstaltungszentrums ein Aufkleber einer schwul-lesbisch-jugendbewegten Initiative entdeckt worden war.

Die KPE zog sich 2002 von der Veranstaltung zurück. Die organisatorische Lücke füllte seitdem der Pfadfinderbund Weltenbummler. Dieser führte sein Engagement bis 2005 weiter, als es zu einem Bruch in der Kontinuität der Veranstaltung kam. Seit der ersten Veranstaltung 1992 beteiligte sich der Freibund an den musikalischen Wettbewerben und gestaltete in den letzten Jahren das Rahmenprogramm durch das Anbieten von Volkstanzveranstaltungen mit. Außerdem betrieb der Freibund dort seit 2002 einen Infostand, an dem er seine Zeitschriften, Liederbücher und verschiedene Tonträger zum Kauf anbot. Neben dem Freibund präsentierte sich in den letzten Jahren, in denen die Veranstaltung in Würzburg stattfand, auch die Deutsche Hochschulgilde mit einem Infostand.

Im Jahr 2001 wurden auch einzelne jüngere Mitglieder der Heimattreuen Deutschen Jugend auf der Veranstaltung gesehen. Ein Besucher trug im Jahr 2005 demonstrativ eine Ausgabe der „National-Zeitung“ aus dem Verlag des damaligen DVU-Chefs und Multimillionärs Gerhard Frey in der Seitentasche seiner Zimmermannshose spazieren, womöglich um Gleichgesinnte auf sich aufmerksam zu machen. Zu den Besuchern zählten außerdem mindestens einmal eine sächsische Gruppe und ein thüringisches Mitglied der neonazistischen Wanderjugend Gibor, die den Singewettstreit gemeinsam mit dem Freibund besuchte. In einem Mitteilungblatt der Wanderjugend Gibor von 1999 heißt es dazu:

„Die 3 Recken der Gibor Jugend aus Dresden und Arnstadt sollten zur singenden Unterstützung des Freibundes dienen, dies geschah dann aber lediglich durch Beifall!“

Aus dem gleichen Artikel kann man schließen, dass die Mitglieder dieser neonazistischen Vereinigung abgesehen von den Freibund-Mitgliedern auch auf andere einschlägige Personen trafen, wenn es weiter heißt:

„Auch altbekannte Gesichter hatte man gesehen, mit ihnen gelacht und sich schon für die eine oder andere Veranstaltung wieder verabredet.“

Die Abreise erfolgte ebenfalls mit Mitgliedern des Freibundes, wie aus dem Artikel hervorgeht:

„In Eisenach verabschiedeten wir uns mit herrlichen Klängen von unserem Giborianer aus Thüringen und den mit uns gereisten Freibünderinnen.“

Diese gemeinsame Fahrt war nicht das erste Zusammentreffen zwischen der rechtsextremen vom Verfassungsschutz beobachteten WJ Gibor und dem Freibund. Bereits 1998 besuchten „vier Kameraden der Wanderjugend das Winterlager des Freibundes“, wie der Januarausgabe des Mitteilungsblattes der „Giborianer“ zu entnehmen ist.

Die „Junge Freiheit“ berichtete mehrmals über den Würzburger Singewettstreit. 1999 qualifizierte sie die Norddeutsche Konkurrenzveranstaltung in Hamburg als „offenen Jugendgruppentreff“ ab, „auf dem die politische Korrektheit fröhliche Blüten trieb“. Gleichzeitig wird in dem Artikel der Versuch unternommen, die in Würzburg vertretenen, von konservativen über katholisch-fundamentalistischen bis völkisch-nationalistischen Gruppen, als die einzig wahren Erben der historischen Jugendbewegung darzustellen. Zur Geschichte der Entstehung der Veranstaltung heißt es:

„Nachdem lange Zeit der traditionsreiche Hamburger Singewettstreit Treffpunkt der bündischen Szene war, spaltete sich 1992 ein Teil derjenigen Pfadfinder ab, die noch auf die beiden großen Traditionslinien der Bündischen Jugend, die Wandervogel- und Pfadfinderbewegung, Wert legten.“

Der Autor hebt die Leistungen der Deutschen Gildenschaft besonders hervor, obwohl diese nur einen bescheidenen elften Platz erlangte.

Der Würzburger Singewettstreit fand bis 2005 statt. Szeneinterne Kontroversen hatten zugenommen, so dass der Pfadfinderbund Weltenbummler, der die Veranstaltung von 2002 bis 2005 maßgeblich durchgeführt hatte, seitdem eine jährliche bundesinterne Ersatzveranstaltung durchführt. Der Pfadfinderbund mit Sitz im bayerischen Coburg ist Mitglied im Deutschen Pfadfinder Verband (DPV) und soll nach Berichten mehrerer Teilnehmer auf einer Versammlung der Bundesvorsitzenden der Mitgliedsverbände für die Zusammenarbeit mit dem Freibund gerügt worden sein. Daraufhin habe der Bundesvorstand erklärt, nicht mehr mit dem Freibund zusammen zu arbeiten, dies jedoch nicht öffentlich kommunizieren zu wollen. Da man sich in Folge dieser Ereignisse anscheinend auch nicht um eine rechtzeitige Buchung des Würzburger Congress Centrums gekümmert hatte, wurde der Saal daraufhin anderweitig vermietet. Dies wurde als Grund für den Ausfall den Würzburger Singewettstreits 2006 kommuniziert. Auch im Jahr 2007 fand kein Singewettstreit in Würzburg statt. Als Ersatz besuchte in diesem Jahr eine Gruppe des Freibundes den KPE-Singewettstreit in Ulm wie aus einer Ausgabe der Freibund-Zeitschrift „na klar“ hervorgeht.

Als sich 2008 wieder Personen aus verschiedenen Bünden zusammenfanden, um die Veranstaltung weiter zu führen, ging man mit der Fragwürdigkeit diverser Bünde, speziell des Freibundes, kritischer um. Der Freibund wurde in einem Schreiben vom Organisationsteam im Pfadfinderring Bayern mit Hinweis auf die Verlinkung durch NPDSeiten von der Veranstaltung ausgeschlossen. Der Ausschluss sollte nach dem Schreiben an den Freibund so lange Bestand haben, bis der glaubhafte Nachweis erbracht sei, dass der Freibund keinerlei Kontakte ins rechtsextreme Milieu pflegt. Nach einem Briefwechsel und einer Erklärung des Freibundes zu seinen Standpunkten kam es zu einem persönlichen Treffen zwischen Vertretern des Freibund und des Organisationsteams. Hier wurden dem Freibund deutliche Auflagen gemacht, die zu erfüllen sein sollten, bevor es zu einer Aufhebung des Ausschlusses kommen würde.

Der vormalige Würzburger Singewettstreit, der für die Zukunft nach St. Goar am Rhein verlegt wurde und seit diesem Jahr den Namen Rheinischer Singewettstreit zu St. Goar trägt, hat sich damit – zumindest gegenüber dem Freibund – wirksam abgegrenzt. Diese Abgrenzung kann nach Angaben der Veranstalter in der überbündischen Zeitschrift „eisbrecher“ nur für Auftritte des Freibundes und anderer eindeutiger Gruppen vollzogen werden.

„Wir können darauf achten, dass solche Gruppen nicht auf die Bühne kommen. Wenn sich solche Gruppen aber eine Eintrittskarte kaufen und wir gar nicht wissen, wer das ist, weil sich XY eine Eintrittskarte bestellt und man als Saalwächter nicht erkennt, wer das ist, dann kann man nicht viel machen. Wir wollen ja auch als Veranstalter keine Gesichts- und Personenkontrollen durchführen. Wir haben weder die Personalkapazität noch den Wunsch, so etwas zu machen.“

Das Ausbleiben jeglicher Distanzierung von Freibundgruppen in der Vergangenheit bezeichnet einer der Organisatoren heute als Fehler:

„Man hätte natürlich eine solche Erklärung abgeben können. Ich glaube, man hatte aber mit so vielen anderen Dingen zu tun. Die Konsequenz wäre gewesen, dass man auf jeden Vorwurf, der irgendeiner Gruppe gemacht wird, eingehen müsste. Wir werden ja nicht nur auf Hörensagen hin uns mit dem Background einer Gruppe beschäftigen. Wenn, dann muss uns da schon etwas handfestes vorgelegt werden, und etwas handfestes war eben diese Verlinkung des Freibundes auf der Göttinger NPD-Seite.“

Der Freibund selbst nimmt auf seiner Internetseite und in seiner
Zeitschrift Stellung zu diesem Ausschluss:

Der Gedanke an das vergangene Singen und Musizieren in freimütiger, überbündischer Gemeinschaft erfüllt uns mit Freude. Wir hoffen, daß diese Tradition nicht abbrechen wird. Daher bleiben wir selbstverständlich auch weiterhin der Idee gemeinsamer überbündischer Projekte treu und werden mit Freude unseren Beitrag leisten.“

Die Autoren spekulieren augenscheinlich darauf, dass die Mehrheit den Ausschluss des Freibundes im Organisationsteam noch einmal kippen könnte. So bemüht sich der dem Würzburger / Rheinischen Singewettstreit nahe stehende Alexei Stachowitsch (genannt Axi), ein über neunzigjähriger Alt-Jugendbewegter, der in Teilen der bündischen Szene respektiert, von manchen sogar verehrt wird, seit vielen Jahren um eine Anerkennung des Freibund – Bund Heimattreuer Jugend in den Reihen normaler jugendbewegter Bünde.

Offenbar zu diesem Zwecke hielt er auch auf dem ersten Rheinischen Singewettstreit eine kurze Rede in der er die Demokratie lobte und die Anwesenden aufforderte, solchen Bünden, die sich auf die bündische Szene zubewegten die Hand zu reichen. Dann sang man „Die Gedanken sind frei“.

Stachowitschs „Werother Erklärung“ war bezeichnender Weise einer der ersten Einträge auf dem Blog des Gildenschaftssprechers Sven Reiß. Hiezu haben wir auch bereits einen Kommentar veröffentlicht.


Wenn man der Meldung welche die Einladung nun ersetzt Glauben schenken darf, scheinen einige der Organisatoren in dieser Angelegenheit unaufmerksam gewesen zu sein. So macht es natürlich keinen Sinn, einerseits den Freibund von seiner Veranstaltung auszuladen, dann jedoch die Einladung zu dieser Veranstaltung auf eine Seite stellen zu lassen, auf der regelmäßig Freibundmitglieder Artikel veröffentlichen.

Comments are closed.