Im Rechtsstreit zwischen den „Fahrenden Gesellen – Bund für deutsches Leben und Wandern e.V“., vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Mahlke, und verschiedenen jugendbewegten Institutionen und Einzelpersonen sind die klagenden Fahrenden Gesellen in erster Instanz gescheitert. Nun liegt die Urteilsbegründung vor. Das Gericht legt darin dar, dass die beklagten Aussagen „auf der Grundlage des von den Beklagten dargelegten Sachverhalts als Meinungsäußerungen durch Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt“ sind. Darüber hinaus finden sich im Urteil einige beachtliche Anmerkungen!
Das Gericht legt dar, der beklagte Artikel in der bündischen Zeitschrift STICHWORT setze
„sich kritisch mit „bündischen Traditionen“ auseinander, mit der „historischen Tatsache, dass das Völkisch-Nationale sich wie ein hässlicher Roter Faden durch die Geschichte der Jugendbewegung zieht“, mit der Gefahr des „den Bünden drohenden Rechtsrucks“; er fordert ein „genaues Hinschauen des bündischen Menschen, ob alt oder jung, dessen Herz erfüllt ist von der bunten Vielfalt dieser Welt, der die Freiheit liebt“, ein „machtvolles Einhaltgebieten, wenn er diese Werte gefährdet sieht in einer Tendenz hin zu brauner Einfalt“ und hofft auf ein Europäisches Gesellschaftsmodell und eine friedlichere Welt als Leitgedanken für die 100-Jahrfeier der freien Jugendbewegung im Jahr 2013.
Im Urteilstext heißt es weiter, der Artikel sei
„geprägt von den Meinungsäußerungen und Anschauungen der Beklagten zu 2), [der Autorin des Artikels] die ambitioniert auf einen „Schlusspunkt unter den 100-jährigen Eiertanz mit den Völkisch-Nationalen!“ setzt. Der Beitrag dient offensichtlich nicht der Aufbereitung historischer Tatsachen, sondern der Sensibilisierung des bündischen Menschen, der Warnung vor Ignoranz und rechten Botschaften.“
In der Verhandlung ging es aus rechtlicher Sicht hauptsächlich um die Frage, ob die beklagten Äußerungen als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung zu werten seien. Diese Frage wurde wie beschrieben vom Gericht beantwortet. Besonderes Augenmerk verdienen daher die Ausführungen des Landgerichtes, welche über die Bewertung dieser Sachfrage hinausgehen. Diese betreffen Aussagen, die im beklagten STICHWORT-Artikel getroffen wurden, von den Fahrenden Gesellen jedoch nicht zum Gegenstand der juristischen Auseinandersetzung gemacht wurden:
„Dem gegen den Kläger und weitere Organisationen im Beitrag erhobenen pauschalen Vorwurf, er sei nachweislich befrachtet mit tradiertem deutschtümelndem, großdeutschem, rassistischem Gedankenmüll, ist der Kläger nicht entgegengetreten, sei es auch nur, weil er selbigem den wertenden Charakter nicht absprechen will. Auch gegen die Aussage, die Organisationen seien verbandelt mit Artgemeinschaftssippen oder „Neuen Rechten“, hat er offenbar nichts einzuwenden. In dem Beitrag wird dem Kläger ohnehin keine „Verbandelung mit führenden Rechtsradikalen“ nachgesagt. Ob der Kläger mit letzteren oder – wie es im Beitrag ausdrücklich heißt – mit ersteren verbandelt sein soll, bleibt gänzlich offen. Kontakte zu Artgemeinschaftssippen oder „Neuen Rechten“ bestreitet der Kläger gar nicht, so dass ohnehin davon auszugehen ist, dass die beanstandete Wertung auf einem zutreffenden Tatsachenkern fußt.“
Nachdem das Gericht bereits festgestellt hatte, dass es sich bei den beklagten Aussagen um eine Meinungsäußerung handelt, war es nicht ohne Weiteres zu erwarten, dass es in seiner Urteilsbegründung auch auf die Inhalte der Klageerwiederung der jugendbewegten Beklagten einginge, die mit dieser Sachfrage nichts zu tun haben. Dies tat das Gericht in seiner Schlussbemerkung jedoch mit deutlichen Worten: Dass die Fahrenden Gesellen als Kläger
„nachweislich mit tradiertem großdeutschem Gedankenmüll befrachtet“ ist, stellt er nicht substantiiert in Abrede. Selbiges lässt sich auch ohne weiteres den mit der Klageerwiderung zur Akte gereichten Auszügen aus seiner Vereinszeitschrift entnehmen, in der der Kläger auf lesenwerte Lektüre von NS-Schriftstellern wie Springenschmid und Grimm hinweist, den „aufrüttelnden“ Blut-und-Boden-Roman „Volk ohne Raum“ lobt, die ehemalige DDR als „mitteldeutsche Gebiete“ bezeichnet und in der „Feuerrede“ die „Zensur vor allem gegen national denkende Autoren“ moniert, durch ein System, welches „im liberalen Gewände Gesinnungsgutachten verteilt“, „gegenüber politische Andersdenkenden moralisierend die Faschismuskeule schwingt“.
Die Fahrenden Gesellen hatten in ihrer Klage einen Vorläufigen Streitwert von 30.000 Euro veranschlagt. Besonderes Aufsehen unter dem Dutzend der anwesenden Prozessbeobachter aus verschiedenen Jugendbünden erregte der Versuch, das eigene Bundessymbol zu verleugnen. Ein Verhalten, welches nicht nur der von den Fahrenden Gesellen vielgepriesenen „inneren Wahrhaftigkeit“ zuwiederläuft, sondern nach Ansicht des Anwalts der Beklagten „in bedenklicher Nähe zu einem versuchten Prozeßbetrug“ stehe, in die sich die Kläger damit begeben hätten.
Ob die Fahrenden Gesellen nun vor dem Kammergericht Berlin in die Berufung gehen werden, bleibt abzuwarten.