Zwischen Abgrenzung und Anbiederung – Die Werother Erklärung

...Ein Gastbeitrag von Holger “Ruski” Technau – Zugvogel Deutscher Fahrtenbund e.V. – zur derzeit kursierenden „Werother Erklärung“.

Als ein aktuelles Thesenpapier in Bezug auf die Diskussionen bzgl. Toleranz und Abgrenzung zu völkischen und neurechten Bünden im Spektrum der bündischen Jugend kursiert zur Zeit die sogenannte „Werother Erklärung“ in bündischen Kreisen.
Den Eingang bilden folgende Zeilen:

„Vom 11. – 13.Oktober 2013 wird die bündische Bewegung die hundertjährige Wiederkehr des Freideutschen Bundestages auf dem Hohen Meissner feiern. Wir hoffen auf ein würdiges Gedenken dieses Ereignisses. In diesem Zusammenhang bestehen Bemühungen, bestimmte Gruppen und Bünde wegen bedenklicher weltanschaulicher und parteipolitischer Tendenzen von der geplanten Veranstaltung auszuschließen.

Es sollte Konsens darüber bestehen, dass Gruppierungen mit eindeutig extremistischen und radikalen Ideologien und politischen Denkrichtungen und ihre Unterstützer, die also nicht parlamentarische Mehrheiten, sondern Ausschaltung und Beseitigung Andersdenkender anstreben, in der bündischen Bewegung nichts verloren haben.

Es kann weiter vorkommen, dass Gruppierungen mit dem Verdacht der Verfolgung extremistischer Ideologien zusätzlich bündische Formen als Bereicherung ihres Programms oder nur zweckbedingt übernommen haben und versuchen, ihre extremistischen Ideen so besser in die bündische Bewegung und in die Gesellschaft hinein zu tragen. Solche Verdachtsfälle sollten wachsam geprüft und bei eindeutiger Beweislage die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.“

Bis hierhin ist die Erklärung eine angemessene Reaktion auf die derzeit geführten Debatten, auch um die Buchveröffentlichung „Wer trägt die schwarze Fahne dort…“.
Die wachsame Prüfung, wie sie gerade geschieht, wird ausdrücklich eingefordert. Dubios erscheint in diesem Zusammenhang dann allerdings die Tatsache, dass auf einem kürzlich erschienenen Internet-Blog, der von aktiven Gildenschaftern betrieben wird, dieses Papier mit den Worten „Von Axi erreichte uns folgender Aufruf, den wir, in Absprache mit ihm, gern unterstützen möchten.“ beworben wird.
Das bedeutet also, dass die Bünde, um die sich die Fragen des Vertretbaren gerade drehen, schon vor der abgeschlossenen Auseinandersetzung ins Boot geholt werden sollen. Ein recht merkwürdiges Vorgehen – zudem der Zeitpunkt Vielen noch viel zu verfrüht scheint. Was man wohl tatsächlich mit dieser Unterschriftenliste erreichen will, wird in späteren Bekundungen etwas deutlicher:

„Verdacht oder Vermutungen alleine reichen aber für solche Konsequenzen nicht aus. Es müssen vorher eindeutige, nachprüfbare Beweise extremistischer Ideologien und Handlungsweisen vorliegen. Gruppierungen, die in ihren Programmen nur nach links oder rechts tendieren, aber noch innerhalb des Grundgesetzes anzusiedeln sind, müssen alle demokratischen Rechte und Freiheiten zuerkannt werden.“

Dass ein bloßer Verdacht und Vermutungen alleine eine Abgrenzung nicht rechtfertigen, darüber herrscht wohl insgesamt Konsens. Wenn sich aber die Formulierung „innerhalb des Grundgesetzes anzusiedeln“ darauf bezieht, dass es sich ja nicht um staatlich verbotene Organisationen handelt, dann wird es hier bereits ziemlich schwammig. Und das es niemandem darum geht, irgendjemandem „demokratische Rechte und Freiheiten“ streitig zu machen, steht eigentlich außer Frage. Worauf will der Urheber der Erklärung also hinaus?

Fettgedruckt wird das einzig zu geltende Kriterium postuliert:

„Das wesentlichste Kriterium für Zulassung bzw. Abweisung von Bünden und Einzelpersonen darf nur die eindeutige Anerkennung bzw. Nichtanerkennung demokratischer Grundsätze im Zusammenleben und Zusammenwirken der in den Bünden tätigen Menschen sein.“

Damit wird das Kriterium dessen was die Bünde der Jugendbewegung als Ideologie in ihrer Gesamtheit bereit sind zu vertreten und was nicht, sehr festgezurrt. Das ist nun in der Jugendbewegung wirklich neu. Zwar wurde das Bekenntnis zum demokratischen Rechtsstaat bereits 1963 als Grundsatz festgeschrieben – und das auch völlig zu Recht. Allerdings galt dies nie als einzig zu akzeptierende Richtlinie, welche Weltanschauungen man in der Gesamtheit auf dem Meissnertreffen als verbindlich festlegen darf und welche nicht. Somit wird in diesem Papier, auf die Jugendbewegung bezogen, eigentlich eine völlige ideologische Beliebigkeit eingefordert.

Als drittes Wesensmerkmal steht in der Erklärung:

„3. Die Unterzeichner suchen vor allem das Verbindende und nicht das Entzweiende unter den Menschen und Bünden und befürworten Bestrebungen, Menschen, die zu extremem Denken und Handeln neigen, zu überzeugen und zu gewinnen, anstatt sie von vornherein auszugrenzen und damit erst recht zu Opfern der Radikalen werden zu lassen.“

Hier wird es dann ziemlich brisant. Eine Abgrenzung zu „extremem Denken und Handeln“ soll ausdrücklich nicht stattfinden, sondern man soll solche Vertreter im Gegenteil im Kreis der Jugendbewegung integrieren, um dann dort Überzeugungsarbeit leisten zu können. Diese Forderung für eine Bewegung, die hauptsächlich Kinder und Jugendliche prägt, kann man als unverantwortlich bezeichnen.
Mit der gewollten Verlinkung des Papiers auf Internetseiten der neurechten Kreise ist das Signal dann sehr deutlich. Ein klares Hände reichen – die kritische Auseinandersetzung kann dann ja immer noch im Kontakt erfolgen und ein reger Austausch über die zweifelhaften Themen ist ausdrücklich innerhalb der Jugendbewegung erwünscht. Das lässt natürlich vor allem Personen, die selber Gruppen von Kindern und Jugendlichen führen, aufhorchen. Hinzu kommt, dass bei solcher grundsätzlichen Akzeptanz Forderungen nach ethnopluralistischen und anderen ideologischen Programmen durch Unterschrift postuliert von den Unterzeichnern akzeptiert werden – als Teil der – nun viel beschworenen – „bündischen Vielfalt“

Hier wird den derzeit wichtigen Debatten in einer Art und Weise vorausgegriffen die wohl absolut unangemessen ist.

Hinter der Erklärung steht Alexej Stachowitsch, ein bekannter Alt-Bündischer. Dieser hatte bereits in einer früheren Publikation unter dem programmatischen Titel „Bündisch ist…“ für alle in der bündischen Jugendbewegung Tätigen postuliert, welche Kriterien zu gelten haben, wenn man sich „bündisch“ nennen möchte.

Zum jetzigen Diskussionstand bringt die bündische Jugendbewegung natürlich solche festgeschriebenen Grundsätze von Einzelpersonen kein Stück weiter. Wenn diese Erklärungen dazu noch von bündischen Einzelpersonen unterzeichnet werden, ist damit in der aktuellen Debatte nichts gewonnen. Wenn jetzt jeder Einzelne für sich persönlich meint, Kriterien festzurren zu müssen und jeder Einzelne überlegt dann (ohne dass selbst in überschaubaren Bünden darüber kommuniziert wird), ob er dem zustimmen möchte oder nicht, welchen Wert soll das haben?

Ich verweise an dieser Stelle darauf, dass es seit längerem überbündische Gremien gibt, die sich aktuell mit Inhalt und Organisation des Meissnertreffens 2013 befassen. Die Frage nach Akzeptanz oder Ablehnung der entsprechenden Bünde wird dort sicherlich auch ein Thema sein – zu gegebener Zeit. Die eigenen Vorschläge also in die gegründeten Gremien einzubringen, um GEMEINSAM auf einer möglichst breiten Ebene zu Lösungsmöglichkeiten zu kommen, ist absolut zu begrüßen.

Die Vorstellung, dass jeder Einzelne nun seine eigenen Kriterien von ihm nahestehenden Personen unterzeichnen lässt, hindert ernsthafte Versuche zu einer angemessenen Lösung zu kommen. Vor allem, wenn diese Erklärungen den fraglichen Bünden als Handreichung dargebracht werden, bevor sie überhaupt in entsprechenden Gremien vorgestellt und diskutiert werden.

Somit ist diese Erklärung zum jetzigen Zeitpunkt absolut nicht aussagekräftig. Ob einzelne Passagen daraus möglicherweise ihren Weg in die Diskussionen der verschiedenen Gremien finden, dort berücksichtigt werden und zu einer möglichst breiten Meinungsfindung in den einzelnen Bünden und in den überbündischen Gesprächskreisen beitragen können, wird sich dann zeigen.

Die Entscheidung dürfte aber wohl nicht von den in der Kritik stehenden Bünden getroffen werden – denn das wäre nahezu absurd.

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