Das Heil im Heil suchen…

...Der „Heil“-Gruß in der deutschen Jugendbewegung: Traditionsbewusste Grußformel oder altbackene Volkstümelei? Dieser Frage widmet sich unser Gastbeitrag von Philipp „Storch“ Robens vom Deutschen Pfadfinderbund Mosaik.

In der „Deutschen Gildenschaft“ (DG) und bei den „Fahrenden Gesellen – Bund für deutsches Leben und Wandern e.V.“ (FG) scheint es üblich zu sein, bestimmte Schreiben und (Leser-)Briefe mit einem „Heil“-Gruß (z.B.: „Mit gildenschaftlichem Heil und Gruß“ (DG), „Ein Heil auf all‘ Euren Wegen“ (DG) oder „Heil sei mit Euch“ (FG)) zu unterzeichnen.1

Begründet wird dieser altbackene Gruß mit der Wandervogeltradition. Schon früh hätten die ersten Wandervogelgruppen das „Heil“ adaptiert und die heutige Nutzung greife auf diesen historischen Ursprung zurück. Diese Traditionsargumentation geht jedoch vollkommen darüber hinweg, dass der schon im Hochmittelalter in der deutschen Sprache genutzte „Heil-Gruß“ bereits im 18. und 19. Jahrhundert einen Bedeutungswandel erfahren hatte. War er zuvor ein zumeist in der Literatur Verwendung findender Wunschausruf, so wurde er durch den nationalistischen „Turnvater“ Ludwig Jahn zum nunmehr „deutschen Gruß“2 stilisiert, der rasch breite Verwendung in der nationalen Bewegung fand.3 Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelte er sich dann zur sprachlichen Konvention der antisemitischen Schönerer-Bewegung in Österreich. In diesem Milieu – so schrieb er später in „Mein Kampf“ – lernte Adolf Hitler das „Heil“, das er später zum Gruß der Nationalsozialisten machen sollte, kennen. Die Wandervogelbewegung nahm den Gruß ebenfalls auf.4 Der national-völkische Beiklang des Grußes spielte in dieser Phase des überschwänglichen Nationalismus sicherlich ebenso eine Rolle, wie es die romantische Vorstellung eines am Mittelalter angelehnten Sprechaktes tat.

Auch nach dem Ersten Weltkrieg verschwand das „Heil“ nicht aus der Jugendbewegung – gleichwohl es zum Erkennungsgruß der rechtsradikalen Kräfte avancierte: In den völkischen und nicht selten antisemitischen Gruppen fand es weiterhin Verwendung – wohingegen die überwiegende Mehrheit der Bünde andere Formen für sich entdeckte, beispielsweise das Nerother „Horrido“ oder das „Gut Pfad“ der Pfadfinder.

Das Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft brachte dann auch dem zum völkischen Standard gewordenen Gruß „Heil“ ein Ende. Nur noch in spezifischen – weit vor der völkischen Konnotation entstandenen und im Übrigen mit eindeutigen Unterscheidungsmerkmalen ausgestatteten – Grußformeln wie „Petri Heil“ oder „Waidmanns Heil“ findet es bis heute berechtigte Verwendung. Wo eine solche Spezifikation nicht besteht, ist heute das „Heil“ als Gruß aus der deutschen Sprache verschwunden. Wer ihn trotzdem noch benutzt handelt entweder geschichtsvergessen oder bewusst an die mit dem „Heil“ verbundenen Assoziationen anknüpfend. Traditionsgründe allein lassen sich jedenfalls nicht als Rechtfertigung anführen: Denn Tradition eines Begriffs lässt sich nicht auf einzelne Fragmente seiner Bedeutungsgeschichte herunterbrechen. Wer sich heute in die Tradition der „Heil-Grüßenden“ stellt, der stellt sich auch in die völkisch-antisemitische Historizität dieser Begrifflichkeit.

Quellenangaben:

1 Interner Rundbrief und Einladungsschreiben der „Deutschen Gildenschaft“ (April und Juni 2009); „Die Fahrenden Gesellen – Bund für deutsches Leben und Wandern e.V.“ – Gau Rhein-Ruhr mit Gruppe Köln, Ausgabe Hartung/Januar 2001.

2 Jahn, Friedrich Ludwig: Der Turnergruß: „Gut Heil“, in: Euler, Karl (Hrsg.): Friedrich Ludwig Jahns Werke, Hof 1887, Bd. 2, S. 920.

3 Vgl. Schmitz-Berning, Cornelia: Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin 1998, S. 299-301.

4 S. ebd, S. 300.

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