Die offene Burg Ludwigstein – Mangelnde Distanz nach Rechts

Auf dem Rechten Weg?Die Jugendburg Ludwigstein befindet sich im hessischen Werra-Meißner-Kreis und wird seit 1920 von einer Trägervereinigung jugendbewegter Bünde, der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein (VJL), betrieben und ausgebaut. Die Burg hat eine wechselvolle Geschichte, zu der auch die Beschlagnahme durch die Hitlerjugend während der Zeit des Nationalsozialismus gehört. Auf der Burg ist das Archiv der Jugendbewegung, heute eine Außenstelle des hessischen Staatsarchivs untergebracht. Daneben existiert eine Stiftung zum Erhalt der Burg sowie die Jugendbildungsstätte, die Ausrichterin zahlreicher Veranstaltungen ist.

Durch ihren Charakter als „bündisches Gemeinschaftsprojekt“, welches seit beinahe 90 Jahren besteht, wird die Burg von vielen Angehörigen der Jugendbewegung bis heute als eines ihrer bedeutendsten Zentren angesehen. Die Teilnahme von Mitgliedern rechter und völkischer Jugendbünde an dortigen Veranstaltungen hat daher eine heftige Kontroverse innerhalb der Jugendbewegung ausgelöst.

Seit ihrer Veröffentlichung sorgt eine Erklärung zur „Offenen Burg“ szeneintern für Aufregung. Die Erklärung selbst bietet wenig Ansatzpunkte zur Beanstandung. Dort heißt es, die Jugendburg Ludwigstein verstehe sich als „ein Ort der Begegnung von Jugendbewegung und Gesellschaft“, der „Vielfalt als Chance“ begreife und einen „geschützten Raum“ bieten wolle. Es ist die Rede von der Erklärung der Jugendbünde von der Meißnerfeier 1963, „die uns anvertraute Jugend von der Idee des demokratischen Rechtsstaates zu überzeugen“. In diesem Zusammenhang wird auf den in Artikel 3 des Grundgesetzes festgeschriebenen Gleichheitsgrundsatz hingewiesen. Abschließend wird festgestellt, dass „gebietsrevisionistische Auffassungen (…) auf dem Ludwigstein keinen Platz“ hätten1. Ihre Sprengkraft bekommt die Erklärung mit der zeitgleich veröffentlichten „Haltung zu Freibund und Sturmvogel“. Darin heißt es, der „Freibund – Bund Heimattreuer Jugend e.V.“  (Freibund) habe „den im Papier ‚Offene Burg – Eine Klärung‘ benannten Voraussetzungen für eine aktive Teilnahme am Burgleben der Jugendburg Ludwigstein zugestimmt und dies durch seine Unterschrift bestätigt.“ Weiterhin erkläre der Freibund, „sich eigenständig um Aufklärung und Verständigung zu bemühen.“ Zu diesem Zweck wurde zugleich noch eine oberflächliche Selbstdarstellung des Freibundes auf der Internetseite der Jugendburg veröffentlicht, die mittlerweile wieder von der Seite genommen wurde. Nachdem der völkisch-bündische Freibund sich durch die Unterzeichnung der Erklärung selbst seine Unbedenklichkeit bescheinigt und mit der Selbstdarstellung „Der Freibund – Jugend in Bewegung“ seine angebliche Dialogbereitschaft demonstriert hat, heißt es in der Erklärung der Burg weiter: „Daraus ergibt sich, dass es aus Sicht der Jugendburg Ludwigstein keinen Grund gibt, den Freibund vom Burgleben auszuschließen. Dem Freibund ist es damit möglich, zum gegenseitigen Kennenlernen auch an Veranstaltungen wie dem Beräunertreffen, dem Kirschenfest, den Bauhütten und dem Meißnerforum teilzunehmen.“

Laut der Erklärung sucht die Bundesführung des ebenfalls völkischen „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ (Sturmvogel) nach einem geeigneten Termin für ein Treffen, wie es mit dem Freibund stattgefunden hat. Dieses sei die Voraussetzung für den Besuch von Burgveranstaltungen oder die Übernahme einer „Raumpatenschaft“2.

Zu den ersten Reaktionen zählte ein Schreiben des Deutschen Pfadfinderbundes (DPB): „Als Mitglied des Ringes junger Bünde (RjB) distanzieren wir uns ausdrücklich von der ‚Haltung [der Burg Ludwigstein] zu Freibund und Sturmvogel‘ mit der Erlaubnis für den ‚Freibund‘ auf der Burg an überbündischen Veranstaltungen teilzunehmen.“3

Vorausgegangen war ein Streit um die Teilnahme von Freibund-Mitgliedern an einer Veranstaltung im Jahr 2008. Während der Durchführung fand ein Streitgespräch zwischen verschiedenen Personen und Interessengruppen, darunter auch Mitgliedern der neurechten Deutschen Gildenschaft, des Sturmvogel und des Freibundes statt. Im Protokoll dieses Gespräches schreibt der Leiter der Jugendbildungsstätte, Stephan Sommerfeld, der Freibund sei „keine rechtsextreme Organisation und stehe nicht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes“. Es gäbe „vereinzelten Kontakte zwischen Jugendbildungsstätte und Freibund“ und für Kritik von Seiten der Bildungsstätte „an Aussagen der Bundeszeitschrift ’na klar’“ habe es immer „ein offenes Ohr“ gegeben. Zudem wird erklärt: „Entsprechend dem Gesellschaftszweck unserer vom Ring junger Bünde und der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein getragenen Einrichtung, stehen die Bildungs- und Kulturveranstaltungen der Jugendbildungsstätte allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen offen.“4 Im Protokoll selbst wird die Haltung der Jugendbildungsstätte beschrieben: „Entscheidungen darüber, wer nicht an den Veranstaltungen der Jugendbildungsstätte teilnehmen darf, treffen wir als Veranstalter erst auf der Grundlage negativer Erfahrungen oder nachgewiesener Rechtsverstöße. Wir nehmen nicht, auch nicht auf äußeren Druck, drei uns unbekannte Leute vorschnell in Sippenhaft auf der Grundlage nicht justiziabler Vermutungen von dritter Seite.“5

Trotz der Proteste konnten am Abend nach der Diskussion die Freibund-Mitglieder und andere rechtsgerichtete Einzelpersonen auf einem Singewettstreit ihre Liedvorträge darbieten. Darunter waren Vertonungen von Gedichten von Hans Baumann und Hans Venatier. Baumann ist Urheber zahlreicher HJ-Lieder und war im Nationalsozialismus Mitarbeiter der „Reichsjugendführung“. Zahlreiche Baumann-Lieder finden sich auch im Liederbuch des Freibundes. Hans Venatier war NS-Literat und hatte mit seinem 1939 erschienenen Buch „Vogt Bartold“ eine „Programmschrift nationalsozialistischer Ideologeme“ 6 veröffentlicht, die „im Jahr des Überfalls auf Polen geradezu als Grundsatzschrift der ostdeutschen Außenpolitik des NS-Staats dienen“ konnte.7

Auch Sven Reiß der Aktivensprecher der Deutschen Gildenschaft (DG) weiß, dass die Burg Ludwigstein derzeit ein umstrittenes Terrain ist. In einem internen Schreiben an Gildenmitglieder beschreibt er das Engagement Stephan Sommerfelds für die Akzeptanz auch rechter Bünde auf der Burg, von der er laut Reiß ausdrücklich nur die (mittlerweile verbotene) HDJ und NPD-Funktionäre ausschließt: „Unter anderem geriet die Jugendburg Ludwigstein und die dortige Jugendbildungsstätte immer stärker unter Druck, da etliche jugendbewegte Personen forderten, dass die ‚politische Wende‘ auf der Burg seit der Leitung der Jugendbildungsstätte durch Stephan Sommerfeld (nämlich die Abschaffung von ‚Schwarzen Listen‘ und dem Konzept einer ‚Offenen Burg‘ für alle Strömungen der Deutschen Jugendbewegung) rückgängig gemacht werden müsse. Bünde wie die Fahrenden Gesellen, der Sturmvogel, der Freibund und eben auch die Deutsche Gildenschaft wollten mehrere Kritiker aus anderen Bünden auf der Burg nicht sehen und diese Kritiker äußern sich leider ziemlich laut. (Dazu ist zu sagen, dass der Ludwigstein einer der wenigen Orte ist, wo sich momentan diese Bünde noch zeigen können und wo noch keine ideologisierte Ausgrenzung betrieben wird – und gerade deshalb die Burg ins Kreuzfeuer geriet.“8 Reiß thematisiert weiterhin die Bereitschaft Sommerfelds „dass er die Gildenschaft gerne weiter verteidigen will, aber Andreas Molau [der zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied der DG war, Anm. d. Verf.] bei bestem Willen für ihn persönlich nicht vertretbar sei.“ Demgegenüber sei Sommerfeld „ganz klar für eine selbstverständliche Offenheit gegenüber Gildenschaft, Freibund u.a. aber gegen die Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) und die heutige [sic!] NPD auf der Burg.“9

Zuletzt feierten die völkischen „Fahrenden Gesellen – Bund für deutsches Leben und Wandern e.V.“ am ersten Maiwochenende 2009 ihr 100jähriges Bestehen auf der Ludwigstein. Die Ankündigung der Veranstaltung war wenige Wochen vor dem Termin von der Internetseite der Jugendburg Ludwigstein verschwunden und erst nach der erfolgreichen Durchführung wieder online einzusehen. Zu der Veranstaltung waren mehr als 10 Mitglieder des Freibundes, unter ihnen der ehemalige Bundesführer und Junge Freiheit Autor Björn R. anwesend.

Das sich politisch rechtsgerichtete Gruppen ungestört auf der Burg, die im übrigen Trägerin des „Deutschen Einheitspreises“ ist, bewegen und dort sogar Veranstaltungen durchführen können, kann nicht im Interesse der Jugendbildung- und Förderung sein. Schließlich gab es auch schon Zeiten in denen solche Gruppierungen auf der Burg unerwünscht waren und sich progressives und tolerantes bündisches Leben entfalten konnte. Dem Leiter der Jugendbildungsstätte Stephan Sommerfeld scheint jedenfalls (jugend-)politisches Feingefühl zu fehlen: So trat er im April 2006 auf dem Gildentag der „Deutschen Hochschulgilde Trutzburg-Jena zu Göttingen“ als Referent auf. Neben ihm sprach der neurechte Theoretiker und Gildenschafter Karlheinz Weißmann, u.a. Verfasser verschiedener umstrittener Bücher und Mitbegründer der neurechten Denkfabrik „Institut für Staatspolitik“. Zum Zeitpunkt des Vortrags war auch noch der heutige DVU-Bundespressesprecher und damalige NPD-Kader Andreas Molau Mitglied der Göttinger Gilde.

Wie sich der weitere Umgang auf der Burg mit völkischen und neurechten Bünden entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Die aktuelle Situation muss jedoch als besorgniserregend betrachtet werden. Nun liegt es an den Förderern und allen demokratischen Bünden, zu intervenieren und die Diskussionen nicht abreißen zu lassen.

1Vgl. Offene Burg – Eine Klärung, Lugwigsteiner Blätter, 59. Jahrgang, Heft 242

2Gruppen können Patenschaften für einzelne Räume auf der Burg übernehmen und verpflichten sich dadurch, ein bestimmtes Kontingent an Arbeitsstunden zur Renovierung und zum Ausbau dieser Räume zu leisten.

3Schreiben des Bundesvorsitzenden des DPB vom 18. März 2009

4www.burgludwigstein.de/fileadmin/LudMedia/0625_Beraeunertreffen/Beraeunerdiskussion_3-08.pdf

5Ebenda

6vgl. Gottzmann, C. L., Hörner, P., Verheißung und Verzweiflung im Osten:   Die Siedlungsgeschichte der Deutschen im Spiegel der Dichtung, Georg Olms Verlag, 1998, S. 84

7Ebenda

8Internes Schreiben des Aktivensprechers der Deutschen Gildenschaft an Gildenmitglieder, April 2009

9 Ebenda

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