Update: Gildenschafterin Mitglied in rechtsextremem Internetforum

Bundesfahne der Deutschen Gildenschaft

In den vergangenen Tagen gab es vor allem in Sachsen-Anhalt viele Schlagzeilen um ein rechtsextremes Internetforum. Wenige Tage vor der Landtagswahl wird dem Landesvorsitzenden der dortigen NPD, Matthias Heyder, vorgeworfen, in einem Forum der Internetseite Freie-Freunde.de unter anderem Anleitungen zum Bau von Bomben eingestellt zu haben, und zur „Schändung“ einer weiblichen politischen Gegnerin aufgerufen zu haben. Dies berichten der NPD-blog, Tagesschau.de und die Tagesthemen. Ebenfalls in dem Forum über Jahre aktiv war ein führendes Mitglied der Deutschen Gildenschaft.

Nachdem Isabel S., die bisherige Leiterin des „Referats Bildung und Erziehung“, die 2009 angab, dem Bundesvorstand der Deutschen Gildenschaft anzugehören, gestern mit den Vorwürfen konfrontiert wurde, erklärte sie noch am gleichen Tag ihren Austritt aus der bündischen Studentenverbindung.

Der Aktivensprecher der Gildenschaft, Sven Reiß, nahm auf einem Internetblog rechter Jugendbünde zu den Ereignissen Stellung und gab das Ausscheiden der vormaligen „Bundesschwester“ bekannt.

S. war seit 2005 unter dem Nutzernamen „Tilia“ in dem Forum aktiv. Nachdem sie sich zwischenzeitlich zurückgezogen hatte, schrieb sie dort ab November 2008 erneut unter dem Nutzernamen „Antonia“. Gegenüber rechte-jugendbünde.de bestätigte sie ihre Aktivitäten in dem Forum und stritt die ihr vorgehaltenen Aussagen nicht ab. S. hatte neben dem Verfassen von Beiträgen auch an Treffen von Forenteilnehmern teilgenommen und auch selbst zu solchen Treffen aufgerufen. Zugang zu dem geschlossenen Unterforum mit den Bombenbauanleitungen hatte S. nach eigenen Angaben nicht. Gegenüber dem Autor gab sie an, dass sie sich bei Kenntnis von derartigen Inhalten sofort aus dem Forum abgemeldet hätte.

Ratschläge zur Gestaltung von NPD-Wahlkampfmaterial

Dem mutmaßlichen NPD-Vorsitzenden Heyder hatte S. in dem Forum Ratschläge zur Gestaltung von NPD-Werbematerialien gegeben. Eine Darstellung des Politikers nannte sie „genau die notwendige Provokation“, obwohl das Bild selbst ihr nicht gefallen hatte und sie es als eigentlich „zum Weglaufen“ bezeichnete.

Zur NPD selbst scheint sie ein gespaltenes Verhältnis zu haben. Einerseits bezeichnete sie diese als „nicht zivilisiert, sondern (…) archaisch“, die NPD passe nicht zu ihr und sie passe nicht zur NPD. Andererseits sprach sie sich dafür aus, Parteien wie der NPD quasi aus taktischen Gründen seine Stimme zu geben:

„Jeder Parlamentseinzug einer rechten Partei oder auch schon jedes Prozent mehr dagegen zeigt, daß es möglich ist, bestimmte Meinungen zu sagen, und daß man es DARF. Auch darauf reagiert die Bevölkerung, wenn auch langsamer als im umgekehrten Fall, solange diese Parteien gleichzeitig auch als „Schmuddelparteien“ auftreten. Natürlich verstehe ich das Argument, daß in manchen Bundesländern die Kandidaten unwählbar erscheinen etc.. Natürlich würde man gern einer Partei die Stimme geben, deren Kandidaten es wert sind. Aber jeder kennt auch die Verhältnisse mit den derzeitigen veröffentlichten Meinungen, und Wahlerfolge für rechte Parteien bieten einen Stück Ausweg aus dieser vertrackten Situation, ob man die Partei nun lieben mag oder nicht, völlig egal.

Auch an anderer Stelle wird deutlich, dass die ehemalige Gildenschafterin zu verschiedenen Themen eine durchaus ambivalente Einstellung hat. So wendet sich die promovierte Biologin an einer Reihe von Stellen gegen biologistisch-rassistische Einstellungen. So nach dem Schlaganfall des bekannten rassistischen Anwaltes Jürgen Rieger, als sie schreibt, dessen „ausgeprägten Biologismus“ nie sympathisch (!) gefunden zu haben. Andererseits empfielt sie im Dezember 2008 dessen Broschüre „Weihnachten im Artglauben“ als Buchempfehlung für „etwas andere Gedichte oder Gestaltungsideen zu Weihnachten“. „Artglauben“ bezeichnet die rassistische Ideologie der vom 2009 verstorbenen Rieger mitgegründeten Artgemeinschaft.

Dass sie jedoch auch nicht frei von biologistischen Vorstellungen ist, stellt S. unter Beweis, als sie sich im September 2009 erkundigt, ob einem der anderen Forenteilnehmer bekannt sei, ob die Jugendlichen, die am Vortag „in der Münchner S-Bahn einen Mann totprügelten und von den Medien als „deutsche Staatsbürger“ tituliert werden, Blutsdeutsche oder Paßdeutsche“ seien. Als etwas später klar war, dass die betreffenden Jugendlichen keinen Migrationshintergrund hatten, bezeichnete sie diese als „migrantisiert“.

Auch die Ideologie des nazistischen Freundeskreises Ulrich von Hutten bezeichnet S. als „ein Stück zu eng und dogmatisch“. Jedoch hebt sie lobend hervor, dort sei „entscheident, wie der Mensch als ganzer ist und lebt, d.h., die Ideale existieren nicht nur auf dem Papier.“ Der „Freundeskreis“ verbreitet antisemitische Verschwörungstheorien und versucht eine Rehabilitierung des Nationalsozialismus zu betreiben.

Stillschweigendes Einverständnis?

Haarsträubend gewalttätige Äußerungen von anderen Nutzern des Forum übergeht S. ohne jeden Kommentar. Im Februar 2009 schrieb ein Nutzer, der sich „Rasenstolz“ nennt:

„Damit ist klar, warum der Staat die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft zieht. Kann mir gut vorstellen wie die Hebräer über den dummen deutschen Michel lachen – und über eine deutsche Regierung, die das jüdische Treiben deckt und legitimiert.

Man müßte das Gesocks – Juden und Politiker – auf offener Straße wie reudige Hunde erschießen. Vielleicht kommt die Zeit noch.“

Ein anderer Autor weist „Rasenstolz“, der nach eigenen Angaben an anderer Stelle aus taktischen Gründen in die CDU eingetreten sei ironisch darauf hin, dass solche Äußerungen „nicht sehr christlich-demokratisch“ seien. Unmittelbar danach schreibt S.:

Dann ist das also tatsächlich wahr, daß Du in die CDU eingetreten bist?

Als man mir das erzählte, hab ichs echt nicht geglaubt… ich weiß noch zu gut, wie es Dich gefreut hat, als ich aus JU/ RCDS ausgetreten war ;o)

Die Menschenverachtenden Äußerungen des Nutzers Rasenstolz übergeht sie dabei völlig. Als dieser etwas später in Bezug auf eine Äußerung von Bundeskanzlerin Merkel schreibt:

„Der Holocaust ist Staatsräson. Hier spricht
wahrhaft eine große Kanzlerin.

antwortet S. widerum lediglich:

„Daß es die Kanzlerin Deiner Partei ist, finde ich weiterhin unheimlich amüsant *g*

Eine von einem Forumsnutzer verlinkte Meldung in der der Verfassungsrechtler Winfried Hassemer sich über milde Strafen für so genannte „Ehrenmörder“ äußert, wird von der damaligen Gildenschafterin S. folgendermaßen kommentiert:

Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, daß es dabei viel mehr darum geht, einen Willkommensgruß an die ganzen Muslime in diesem Land zu senden und ihnen eine potentielle Einbürgerung nochmal ein Stück schmackhafter zu machen. So fällt der Volksaustausch nochmal ein Stück leichter.

Auch in diesem Fall überging S. den vorhergehenden Kommentar eines weiteren Nutzers, der geschrieben hatte, solche Ehrenmorde hätten schon etwas für sich, da es bei diesen meist nicht die falschen treffe.

Dennoch zeigte sich S. im Forum ausgesprochen vorsichtig und regelrecht konspirativ. Mehrmals wies sie die anderen Teilnehmer darauf hin, dass es unvorsichtig sei, Klarnamen von Kameraden in das Forum zu schreiben.

Als der vermeintliche NPD-Mann Heyder unter dem Pseudonym „Junker Jörg“ die Frage ins Forum stellte:

Zweifelt hier jemand daran, daß die BRD ein Judenstaat ist? Angst vor der eigenen Courage?

Antwortete S.:

Damit man nachher, wenn man sich als Bejaher dargestellt hat, eine eidesstattliche Versicherung
abegeben muß, daß man es doch nicht bejaht hat? Klingt sinnvoll..“

Die beiden bezogen sich dabei auf einen Vorfall mit dem NPD-Politiker Udo Pastörs.

Antisemitische Äußerungen

Eine wiederum ambivalente Haltung kommt im Februar des gleichen Jahres zum Ausdruck. Erneut betrifft dies einen Dialog zwischen „Rasenstolz“ und S.. Rasenstolz schreibt:

Mir hängt der Holocaust und das Judentum zum Hals raus. Und so wie mir geht es immer mehr in diesem Land – und womöglich in der Welt. Es wird Zeit, dass die Juden zu dem werden was wir sind, aber sie ständig vorgeben zu sein – Opfer.
Mit der aktuellen Finanzschweinerei zu unseren Lasten haben sie es mittlerweile übertrieben. Was Antisemitismus wirklich ist, werden die erst noch erleben.

In ihrer Antwort schreibt S.:

Meine Güte.Es gibt auch Juden, die genauso normale Berufe haben wie andere Leute auch. Gleichzeitig gibt es auch Nichtjuden, die in die Finanzskandale verwickelt sind.Die Geisteshaltung ist das Problem. Daß deren Ursprung aus dem Judentum kommt, mag sein, aber sie blieb nicht darauf beschränkt.

In einer weiteren Stellungnahme, die sie am gleichen Tag verfasste, schrieb S., sie gehe nicht davon aus, dass „eine Mehrheit der Juden Zentralrats- oder Finanzjuden“ seien. Diese seien „halt einfach nur lauter und/ oder auffälliger/ störender.“

Auf Anfrage von rechte-jugendbünde.de wollte S. nicht näher darauf eingehen, was genau aus ihrer Sicht „Zetralratsjuden“ oder „Finanzjuden“ seien, und was an diesen laut, auffällig oder störend sei.

Anti-Antifa und linke Journalisten

Im Kreise der Forenteilnehmer, deren extremistische Haltung S. bekannt war, zog sie Erkundigungen nach Journalisten ein, die sich mit Rechtsextremismus befassen. In einem von ihr eigens hierfür eröffneten Diskussionsfaden nannte sie die Namen der Begründer von rechte-jugendbünde.de und erkundigte sich, ob ihr einzelne Teilnehmer des Forums Informationen über uns zukommen lassen könnten „gerne auch per Mail“.

Im August 2009 gab S. an, die Journalistin Andrea Röpke sei ihrer Ansicht nach „wirklich gefährlich“. zwei Tage später bezeichnete sie im gleichen Faden die Aktivitäten der „Anti-Antifa“ als „Reaktion und nicht selbstinitiiert“ und somit als legitim. Nach einem Besuch einer Veranstaltung mit Andrea Röpke im April 2009 bot sie interessierten Forenteilnehmern an, ihnen per Mail ein Gedächtnisprotokoll zukommen zu lassen.

Das Völkische und die Jugendbewegung

In Bezug auf die Berichterstattung über rechte Jugendbünde äußerte sich S. alarmiert:

Ich glaube tatsächlich, daß man hofft, „mit Stumpf und Stiel“ auszurotten. Daß alle Gruppierungen harmlos sind, ist dabei nicht der Punkt (auch der Sturmvogel ist völlig harmlos und in der Realität eine winzigkleine Gruppierung). Der Punkt ist, daß alle Gruppierungen etwas leben, was noch wirklich deutsch ist – Lieder, Volkstanz, Fahrten, inklusive positivem Bekenntnis zum Deutschtum, Familienkultur – und das soll nicht sein.

Das völkische Denken der bislang mit „Bildung und Erziehung“ in der Gildenschaft beauftragten Biologin wird auch an anderer Stelle deutlich. Daran, dass „bündische“ Aktivitäten aus ihrer Sicht ein wichtiger Teil völkischen Lebens sind, lässt sie keinen Zweifel:

„Es kommt auch auf die kleinen Dinge an. Manche tun sehr viel an kleinen Dingen, und erreichen dadurch eine ganze Menge. Wer z.B. eine Familie mit Kindern gründet, hat hinterher mehr erreicht für Deutschland/ dieses Volk als einer, der auf Hunderten von Demos mitmarschiert ist, und sonst nichts. Wer eine Sonnwendfeier oder andere Feier organisiert oder mitorganisiert, oder einen Tanzkreis leitet, gibt anderen Kraft, deutsch zu bleiben und zu fühlen, und hat ebenfalls etwas erreicht. Solche Beispiele gibts viele. Und solche Beispiele sind im Rahmen des Machbaren, ohne die eigene Existenz vollkommen zu zerstören. Zumindest derzeit noch

Jugendbünde, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit wenden, werden von S. hingegen kritisiert. So zitierte S. im Mai 2009 die auf der Internetseite der Deutschen Freischar veröffentlichte „Mannheimer Resolution“ der Bünde gegen Fremdenfeindlichkeit. S. nannte den letzten Satz der Erklärung „unglaublich“. Der abschließende Satz der kurz nach den Pogromen in Rostock, Mölln und Solingen veröffentlichten Erklärung fordert die Angehörigen der Jugendbewegung auf, „sich schützend vor unsere ausländischen Mitbürger zu stellen und nicht zu den Ereignissen zu schweigen“.

Und wieder einmal: Der Fall Molau und die politische Mimikry

Zum damaligen Kandidaten für den Bundesvorsitz der NPD, Andreas Molau, äußerte sich S. in dem Forum im Januar 2009 ebenfalls. Molau war zum Zeitpunkt seiner Kandidatur Mitglied der Gildenschaft, was zu einer Kontroverse über die Aktivitäten der Gildenschaft auf Burg Ludwigstein geführt hatte. Die Burgverantwortlichen wurden dafür kritisiert, dass auf dieser überbündischen Begegnungsstätte eine Organisation tätig ist, aus deren Reihen der designierte NPD-Bundesvorsitzende stammt, wurde Molau aus den Reihen der Gildenschaft, insbesondere von Aktivensprecher Reiß und Isabel S. aufgefortert, sich im Falle einer Kandidatur aus der Gildenschaft zurück zu ziehen. Nachdem Molau dies anfänglich zugesagt hatte, nahm er von dieser Zusage wieder Abstand, was auch intern zu größeren Verwerfungen in der Gildenschaft geführt hatte.

In dem Forum erläuterte S. ihre Haltung zu Molau:

Ich sehe ihn ganz bestimmt nicht unkritisch, weil ich den Eindruck gewonnen habe, daß er jedem das erzählt, was ihm gerade für das Gegenüber passend erscheint, und weil ich glaube, daß er seine inneren Widersprüche als Spagat nach außen tragen wird und mir nicht vorstellen kann, daß dieser Spagat gelingt. Außerdem habe ich den Eindruck gewonnen, daß Versprechen, die er gibt, nichts wert sind.

Sie fügte dem dann jedoch in einem ergänzenden Beitrag hinzu:

Dabei würde ich mir wünschen, für Deutschland, daß der Spagat gelingt.

Obwohl es für uns heißen würde, daß unsere Gemeinschaft vor die Zerreißprobe gestellt wird, wenn eines unserer Mitglieder Parteivorsitzender der NPD würde. Für uns wäre also zu hoffen, daß er sich nicht durchsetzen kann. Ich bin da also auch zwiegespalten …

(Naja, eigentlich hat die Zerreißprobenzeit schon begonnen…)

Der gestern erklärte Austritt von Isabel S. aus der Gildenschaft entspricht der Logik, mit der auch die Auseinandersetzung mit und über Andreas Molau geführt wurde. Wie aus einem internen Schreiben der Gildenschaft hervorgeht, hatten S. und Reiß Andreas Molau seinerzeit das Versprechen abgenommen, aus der Gilde auszutreten, wenn das notwendig sein sollte, um Schaden von der Gildenschaft abzuwenden. S. bleibt nun keine andere Wahl, als selbst durch einen Austritt Schaden von der Gildenschaft abzuwenden. Schließlich versucht sich die Gildenschaft als moderate und keinesfalls politisch radikale Organisation darzustellen, um im Kreis jugendbewegter Gruppierungen und Projekte anerkannt zu werden.

Nun bleibt der Gildenschaft zunächst nichts anderes übrig, als sich von S. zu distanzieren. Hierin liegt die Ironie des Schicksals: S. hatte in Diskussionen stets prinzipiell abgelehnt, sich von irgendwelchen Personen oder Organisationen zu distanzieren. Ob von Andreas Molau, Jürgen Rieger oder der Heimattreuen Jugend.

Die gestern veröffentlichte Erklärung des Aktivensprechers beinhaltet neben der Information vom Ausscheiden der ehemaligen „Bundesschwester“ auch eine klare Distanzierung von deren „Doppelleben“. Das ist freilich wenig glaubwürdig aus der Feder des Sprechers der Gildenschaft, deren Mitglieder zum Teil selbst über Jahre am „überbündischen Burgfest“ teilgenommen hatten und das regelmäßig auch von Neonazis besucht wurde. Man fragt sich, ob eines schwerer wiegt: Die Mitgliedschaft in einem Internetforum mit gelegentlichen Treffen, oder regelmäßige Treffen mit der nazistischen Heimattreuen Jugend. Vor diesem Hintergrund ein „Doppelleben“ zu unterstellen wirkt eher skurril. Zumal es Hinweise gibt, dass es Überschneidungen zwischen den Forumsmitgliedern der „freien Freunde“ und den Besuchergruppen des Burgfestes gibt.  S. selbst hatte in dem Forum wiederholt auch zu „bündischen“ Veranstaltungen eingeladen. Unter anderem zu einem einwöchigen landwirtschaftlichen „Arbeitslager“ in Mecklenburg. Dabei könnte es sich um die „Arbeitswoche der Deutschen Gildenschaft bei Siedlern in Mecklenburg“ gehandelt haben. S. veröffentlichte die Einladung im Juli 2006, das „Arbeitslager“ fand im August des gleichen Jahres statt. Reiß berichtet über diese Veranstaltung auf der Homepage der „Hochschulgilde Witiko zu Passau“ und in der Zeitschrift „Idee und Bewegung“.

Auch im Juli 2007 veröffentlichte S. eine Einladung zu einer bündischen Veranstaltung mit dem Hinweis: „Voraussetzung: anständiges Benehmen, kein Vollaufenlassen“. Der Wortlaut der Einladung wurde von S. jedoch gelöscht, so dass nicht erkennbar ist, um was für eine Veranstaltung es sich genau handelt. Aus der Antwort eines Teilnehmers lässt sich jedoch schließen, dass es sich um eine Veranstaltung unter Beteiligung der Gildenschaft gehandelt haben muss:

„kein Vollaufenlassen“

Den Hinweis verstehe ich nicht. Sollte es nicht Konsens sein, daß in Anlehnung an die Meißner Formel die meisten bündischen Veranstaltungen grundsätzlich alkohol- und nikotinfrei sein sollten? Scheint jedoch nicht für die Gilde zuzutreffen. Man lernt nie aus …

Ob jemand aus dem Kreis der Forumsmitglieder eine der Einladungen angenommen hat ist völlig unklar. Es liegt jedoch auf der Hand, dass sich in diesem Fall die jeweiligen Forenteilnehmer und die Besucher der „bündischen“ Veranstaltungen wohl begegnet wären.

Als S. im Februar 2010 ein Treffen der Forumsnutzer anregt, schlägt ein anderer User „eine Zusammenkunft im Rahmen der Preußischen Akademie der JLO vor“. Bei der JLO handelt es sich um die rechtsextremistische „Junge Landsmannschaft Ostdeutschland“. Der sächsische Vorsitzende dieser Gruppierung war auch bereits auf dem Burgfest zu Gast.

Ein Doppelleben sieht jedenfalls anders aus. Die aktuelle Erklärung auf dem Blog des Gildenschafters Reiß wirkt daher wie ein scheibchenweises Zugeständnis: Was sowieso schon bekannt ist, kann man auch ganz mutig zugeben.

Gegendarstellung

20.3. 2011:

Der Aktivensprecher der Deutschen Gildenschaft fordert folgende Gegendarstellung ein:

Ich stelle fest: Ich war ein einziges Mal Teilnehmer des Burgfestes und zwar im Jahre 2005. Daraufhin habe ich persönlich für mich beschlossenen, dieser Veranstaltung fern zu bleiben, da ich eben gerade NICHT gewillt war, gemeinsam mit der Heimattreuen Jugend zu tanzen! Diese Haltung habe ich in der Vergangenheit u.a. auch hier im PT öffentlich vertreten!

Rechte-jugendbünde.de stellt dazu fest:

In oben genannter Gegendarstellung bestätigt Sven Reiß seine Anwesenheit auf dem bis 2008 jährlich stattfindenden Burgfest im Jahr 2005. Rechte-jugendbünde.de liegen fotografische Belege und eine eidesstattliche Versicherung vor, die belegen, dass Herr Reiß bereits im Jahr 2004 am so genannten Burgfest teilgenommen hat.

Sofern Herr Reiß die Jahre 2005 und 2004 nicht durcheinanderbringt, muss er wohl – entgegen seiner eigenen Aussage, die er mit der Drohung eines Rechtstreites verknüpft- in beiden Jahren am so genannten „überbündischen Burgfest“ teilgenommen haben. In beiden Jahren hatten Mitglieder der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) an demselben Burgfest teilgenommen.

Hintergründe zum Burgfest

Das „überbündische Burgfest“ wurde in den letzten Jahren seines Bestehens maßgeblich von Gildenschafter(inne)n organisiert:

Zitat aus der Schwarzen Fahne

Die Organisatoren des Burgfestes treten selten mit vollem Namen an die Öffentlichkeit – man bemüht sich um Konspiration. In Einladungsschreiben werden möglichst nur Vornamen genannt. So laden zum Burgfest 2006 auf Burg Rothenfels „Karin, Sieglinde, Hagen ein. Mit potenziellen Besuchern kommuniziert die Festleitung über ein Postfach und Telefon. Die wenigen Klarnamen, die veröffentlicht werden, verdeutlichen allerdings, aus welchem Milieu sich die Organisatoren zusammensetzen. Hinter Hagen steckt Hagen S. aus Aachen. Der Anmelder der Internetseite des Burgfestes war noch 1994 als Bundesgeschäftsführer von Die Heimattreue Jugend (DHJ) aktiv. 2003 musste der Festbeitrag auf ein Sonderkonto bei der Deutschen Bank überwiesen werden, das ebenfalls auf den Namen von Hagen S. lief. Während S. aus dem extrem rechten Spektrum der völkisch-bündischen kommt, erprobte die Kontaktperson Karin E. ihre ersten politischen Schritte in der neurechten Deutschen Gildenschaft (DG). Die 1979 geborene und studierte Betriebswirtin E. aus Schwerin, betreute namentlich unter anderem im Jahr 2003 und 2006 das Postfach, an das die Anmeldungen für das Burgfest geschickt werden konnten. 2004 war Karin E., die in diesem Jahr wiederum als Anmelderin für das Burgfest fungiert, im Bundesvorstand der Deutschen Gildenschaft als Aktivensprecherin und 2. Vorsitzende aktiv. Nur zwei Jahre später, als sie noch Ansprechpartnerin der Deutschen Hochschulgilde (DHG) Gorch Fock zu Hamburg war, wurde sie Pressesprecherin der neurechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“(JF). Im August 2007 hatte die JF dann „weibliche Verluste“ zu vermelden, da sich Karin E. nun voll auf „ihr Studium des Kulturjournalismus konzentrieren“ wolle. Im Jahr 2003, wird neben Hagen S. und Karin E. die Telefonnummer von „Albrecht“ als Ansprechpartner veröffentlicht. Hinter der Kontakttelefonnummer und dem Vornamen verbirgt sich Albrecht R., der mit derselben Telefonnummer wie auf der Burgfesteinladung, im Jahr 2006 als Ansprechpartner für den Bundestag der DG zur Verfügung stand.

Auch 2006 dürfte Karin E.die zweite Kontaktperson auf der Einladung gekannt haben, hinter dem Fahrten- oder Kosenamen „Reini“ steckt wieder ein Mitglied der der DG: Reinhard S.. Die angegebene Telefonnummer ist identisch mit der Kontakttelefonnummer der ruhenden Hochschulgilde Hans Breuer zu Heidelberg, für die Reinhard S. ebenfalls als Kontaktperson fungiert. In den Jahren 2006 (Burg Rothenfels), 2007 (Burg Altleiningen) und 2008 (Burg Hohnstein) tritt die Geschichtslehrerin Sieglinde D. aus Minden als eine der Organisatoren in Erscheinung. 2006 und 2007 stellte sie u. a. das „Burgfest-konto“ zur Verfügung. Auf dieses Konto mussten die Teilnehmer mit dem Verwendungszweck „z. B. Dankwart 62,– Kriemhild 35,–“ den Festbeitrag überweisen. Sieglinde D. ist die Schwester des Gildenschafters und Freibundmitglieds Giselher D., der derzeit in Potsdam lebt.

Ich stelle nocheinmal dezidiert fest, dass die Bahauptung des Aktivensprechers der Deutschen Gildenschaft, er habe einmalig im Jahr 2005 am so genannten „überbündischen Burgfest“ teilgenommen, nicht der Wahrheit entsprechen kann. Sollte Reiß rechtliche Schritte in erwägung ziehen, um diese Aussage zu unterbinden, so muss er diesen Weg wohl gehen.

Update 14.12. 2011: Wie endstation rechts heute meldete, hat die Staatsanwaltschaft Magedeburg bekannt gegeben, dass das Ermittlungsverfahren gegen Matthias Heyder aus „Mangel an Beweisen“ eingestellt worden sei.

 


Quelle des Titelbildes: http://www.burgludwigstein.de/Raumpatengruppen.303.0.html

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