Völkisch? Bündisch? Versteckspielen mit dem Freibund

Bundessymbol des Freibund - Bund Heimattreuer JugendEin gutes Dutzend schwarzer Jurten stand im Juli 2008 zwei Wochen lang auf einem Feld etwas außerhalb der mecklenburgischen Ortschaft Brook bei Grevesmühlen. Nur wenige Meter von der Ostsee entfernt, erinnert der idyllische Ort die meisten Vorbeikommenden an ein normales Pfadfinderlager. Doch die etwa 50 Kinder und Jugendlichen zwischen 8 und 16 Jahren waren Teilnehmer des Sommerlagers des völkisch-bündischen „Freibund – Bund Heimattreuer Jugend e.V.“, dem sogenannten „Freibund“.

Gegründet wurde der „Freibund“ 1960 als bundesweite Organisation unter dem Namen „Bund Heimattreuer Jugend“ (BHJ) nach dem Vorbild der gleichnamigen Organisation in Österreich (BHJÖ). Diese entstand nach dem 2. Weltkrieg als Zusammenschluss nationalistischer Jugendgruppen und wurde 1961 wegen „nationalsozialistischer Wiederbetätigung“ verboten. Erste BHJ-Gruppen in der Bundesrepublik gab es ab 1957, aber erst 1962 ließ sich der Bund nach internen Auseinandersetzungen in das Vereinsregister in Nürnberg eintragen. Der BHJ war gemeinsam mit anderen extrem rechten Jugendverbänden im 1954 gegründeten „Kameradschaftsring Nationaler Jugendverbände“ (KNJ) aktiv, nach dem Verbot des BHJÖ war er auch Herausgeber der Verbandskampfschrift „Trommler“. Ab 1964 führte der BHJ regelmäßig gemeinsame Lager mit der 1994 verbotenen „Wiking-Jugend“ (WJ) durch und auch nach dem Zerfall des KNJ Ende der 1960er Jahre blieben die Kontakte bestehen. Der BHJ gehörte mit der WJ zu den wichtigsten extrem rechten Jugendbünde in der Bundesrepublik. Mitte der 1970er Jahre erfolgte jedoch eine Umorientierung des BHJ weg vom offenen Nationalsozialismus und hin zu den völkischen-bündischen Teilen der deutschen Jugendbewegung, in deren Verlauf wurde auch die Zusammenarbeit mit der WJ aufgegeben. Im Jahr 1988 wurde das Bundessymbol, die Odalsrune, durch eine schwarze Fahne mit einer aufgehenden Sonne ersetzt. Sie gilt ihnen als „Ausdruck des Widerstandes gegen alle Fremdbestimmung“ und die „Einbindung unseres Bundes in die Geschichte und das Schicksal der deutschen Nation“, wie es im „Selbstverständnis“ auf der Internetseite des Bundes heißt. Zwei Jahre später gibt sich der BHJ den Namenszusatz „Der Freibund“, aus dem 1997 der heutige offizielle Name „Der Freibund – Bund Heimattreuer Jugend e.V.“ wurde. In der Öffentlichkeit tritt der Verein nur noch unter dem Namen „Freibund“ auf. Ebenfalls 1990 spalteten sich Teile des BHJ ab und gründeten „Die Heimattreue Jugend“ (DHJ) aus der im Jahr 2001 die neonazistische und mittlerweile verbotene „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) hervorging.

Brüder im Osten und Westen,
Brüder in Österreich!
Aus den zerschlagenen Resten
bau`n wir ein neues Reich.*

 

Der Freibund

Die einzige programmatische Verlautbarung des „Freibundes“ ist die „Freiburger Erklärung“ von 2005, in der sich die Organisation als ‚heimatliebender Jugendbund’ ohne politische Motivation darstellt. Beschönigend werden die Geschichte und die Ziele skizziert, die mit den Eckpunkten „Mensch und Natur“, „Volk und Kultur“ sowie „Freiheit und Bindung“ benannt werden. Dahinter verbergen sich jedoch nicht nur ‚Heimatliebe’ und ‚Brauchtumspflege’, sondern verinnerlichte völkische und ethnopluralistische Gesellschaftsvorstellungen. Eine Distanzierung vom BHJ findet sich dort wie auch anderswo nicht.

Zu seinen Hochzeiten Ende der 1970er Jahre soll der BHJ zwischen 500 und 1.000 Mitglieder gehabt haben, heute sind im „Freibund“ vor allem in Berlin und Niedersachsen geschätzte 100 Mitglieder im Alter zwischen 7 und 25 Jahren aktiv. Da der „Freibund“ nach dem Lebensbundprinzip organisiert ist, bleiben die Mitglieder der Gemeinschaft auch nach dem 25. Lebensjahr verbunden. Derzeit sind geschätzte 200 Erwachsene in einem sogenannten „Altfreibund“ und einer so genannten „Grauzone“ aktiv. Auch die Partnerwahl findet oft innerhalb der Gemeinschaft statt. Aktuell existieren zwei Leitstellen: „Nord“ mit Postfach in Göttingen und „Süd“ mit Postfach in Heidenheim. Von den Leistellen, die seit Ende 2008 Gefährtenschaften heissen, organisiert finden verschiedene Veranstaltungen statt wie Sommer- und Winterlager, Sonnwendfeiern, kleinere Ausflüge, Auslandsfahrten und Vorträge. Dabei ist es üblich, den genauen Zielort erst bei der Anmeldung anzugeben, während im Einladungsschreiben nur allgemein auf die jeweilige Region verwiesen wird. Geleitet wird der Bund von einem ersten und zweiten Bundesführer, im vergangenen Jahr 2008 neben Volkmar S. aus Steinheim, der ehemalige „Junge Freiheit“-Autor Björn R.

Unsere Ehre heißt Treue.
Treue zum Volk uns zum Reich.
Bauen wir darauf auf`s Neue,
bilden wir Zukunft zugleich.*

 

Publikationen

Im Jahr 1982 wurde der „Trommler“ bei fortlaufender Nummerierung in „Na Klar!“ umbenannt und ist mit dem Untertitel „Natur – Kultur – Jugend“ bis heute die Verbandszeitschrift des „Freibundes“. Inhaltlicher Schwerpunkt jeder Ausgabe sind Lager- und Fahrtenberichte der Leitstellen und Horten, allerdings wird in Artikeln zu Themen wie Heimat, deutscher Sprache und Erziehung ebenfalls die Nähe zu nationalsozialistischer Blut-und-Boden-Mythologie und völkischer Gesinnung deutlich. In „Na Klar!“ (Nr. 3, 2006) beschreibt „Markus“ seine „Gedanken zu Heimat und Volkstum“ und schreibt, dass die „Menschheitsentwicklung ihre für das Individuum und seine innere Entwicklung vollkommenste Form im Volk erreicht“. Und, dass das „Volkstum (…) kein unbewusstes Werk der Natur, sondern (…) die Schöpfung von großen Führungspersönlichkeiten“ sei. Regelmäßig wirbt auch die neurechte „Junge Freiheit“ mit ganzseitigen Anzeigen in der Zeitschrift. Zum Angebot der Organisation gehörte bis Ende der 1990er Jahre der „Fahrtenpass“, das „Liederbuch des Freibundes“, das neben Volksliedern und Liedgut der bündischen Jugend das einstige HJ-Pflichtlied „Ein junges Volk steht auf“ enthält. Gesungen wird im Übrigen viel beim „Freibund“. 2001 wurde im neurechten Versand von Bernd W. -1991 Leitstellenführer-Süd des BHJ- „Die Schallquelle“ eine Musikkassette mit dem Titel „Unsere Sonne himmelwärts“ als CD neu aufgelegt. Dem Sampler „Liedg(l)ut“ steuerte der „Freibund“ zwei Songs bei. Entstanden ist der aus einem von der nationalrevolutionären Zeitung „Wir Selbst“ organisierten Tanz- und Musikfest im Oktober 2000. Dort als auch auf der CD waren die Rechtsrock-Band „Carpe Diem“ und „Sleipnir“ vertreten.

Hinter uns liegen die Trümmer,
stehen die Toten bleich.
Vor uns da leuchtet Europa,
in uns marschieret das Reich.*

 

Verbindungen ins (extrem) rechte Milieu

 

Auch wenn der „Freibund“ offiziell versucht sich unpolitisch-bündisch zu geben, bestehen doch vielfältigste Verbindungen ins extrem rechte Milieu. Dabei gibt es Kontakte und Verflechtungen sowohl mit neonazistisch als auch mit neurechts ausgerichteten Strukturen. So sind Freibünder zum Beispiel Teilnehmer auf dem so genannten „Burgfest“, einer geschlossenen Veranstaltung, auf der sie in den letzten Jahren gemeinsam mit Mitgliedern aus der HDJ (bis 2006) und der WJ-Abspaltung „Sturmvogel“ einträchtig singen, tanzen und feiern konnten. Anfang Juni 2008 fand auf dem Hof einer „Freibund“-Familie im niedersächsischen Burgdorf-Berel das „Bundessommerfest“ statt. Anwesend war auch der ehemalige NPD-Kreisvorsitzende im Rhein-Sieg-Kreis Marcus Spruck. Dieser war in den 1980er Jahren zunächst in der WJ und später in deren Abspaltung „Sturmvogel“ aktiv und nahm unter anderem am 26. April 2008 an einer NPD-Demonstration „gegen Ausländergewalt und Inländerfeindlichkeit“ in Stolberg teil. Ebenfalls Gast beim „Freibund“-Sommerfest in Berel war Helge Drescher aus Berlin mit Frau und Kindern. Drescher war Leiter des Junge-Freiheit Leserkreises in Berlin, aus dem das rechtsextreme Deutsche Kolleg entstand. Seine Schwester Gerhild Drescher war noch 1993 als Standortführerin der DHJ in Berlin tätig und ist heute im „Deutschen Mädelwanderbund“ und der „Deutschen Gildenschaft“ aktiv. Verbindungen bestehen auch zum neurechten „Institut für Staatspolitik“(IfS). Aktive Freibünder gehören stets zu den Besuchern des vom IfS organisierten „Berliner Kollegs“ und präsentierten sich dort in der Vergangenheit mit einem Informationsstand. Auf einer Veranstaltung des IfS zum 8. Mai 1945, die am Vortag zu dessen 60. Jahrestag in Berlin stattfand, warben Freibünder auch für die „Aktion Gedenkzug“ am kommenden Tag. Rund 100 Leute aus dem Spektrum des Jugendbundes, vom IfS und darüber hinaus, verkleideten sich schließlich wie Flüchtlinge aus den einstigen deutschen Ostgebieten anno 1945 und zogen so am Rande der großen Festivitäten zum Jahrestag der Befreiung durch Berlin. Gezielt wollten sie so im „Trubel der übrigen Gedenkveranstaltungen“ auf „das deutsche Leid nach dem Kriegsende (…) durch Vertreibung und Kriegsgefangenschaft“ aufmerksam machen und die geflüchteten und vertriebenen Deutschen als die eigentlichen Kriegsopfer präsentieren. Der Kontakt zwischen IfS und „Freibund“ ist auch ansonsten eng. Zur Sommersonnenwendfeier 2007 referierte der IfS-Mitbegründer Karlheinz Weißmann beispielsweise beim „Freibund“ über „Die Ikonen der Jugendbewegung“ und bei der letzten IfS-Veranstaltungsreihe zu „Widerstand – Lage, Ziel, Tat“ im Jahr 2008 gehörte mit dem Burschenschafter Felix Menzel auch ein „Freibund“-Mitglied zu den Referenten. Menzel ist darüber hinaus Mitinitiator und Autor der rechten Schülerzeitung „Blaue Narzisse“ und Aktivist der vom IfS-Gründer Götz Kubitschek initiierten „Konservativ-Subversiven Aktion“. Die „Pennale Burschenschaft Germania zu Staßfurt“, in der Menzel Mitglied ist, überschneidet sich personell zum Teil mit dem dortigen Stützpunkt der „Jungen Nationaldemokraten“. Für den „Freibund“ war Menzel zuletzt als Kontaktperson für die Sonnwendfeier 2008 in der brandenburgischen Prignitz angegeben.

 

Kontakte ins Ausland

 

Als im Jahr 2005 Mitglieder der extrem rechten „Wiener akademischen Burschenschaft Olympia“ eine Arbeitsgemeinschaft „ARGE Sommerlager“ gründeten, um ein Sommerlager in Österreich zu veranstalten, bekamen sie vor Ort tatkräftige Unterstützung vom „Freibund“. Auf den später veröffentlichten Fotos des Lagers sind zwei Frauen in „Freibund“-Kluft zu erkennen und in einem Gästebucheintrag bedankt sich der Lagerleiter, dass die beiden das Lager „nicht nur inhaltlich wesentlich bereichert“ hätten. Ein Detail zur Entstehung dieser Zusammenarbeit ist anfangs noch auf der Internetseite der „ARGE“zu finden: Einige Burschenschafter aus der Gründungsriege der „ARGE“ nahmen 2004 eine Woche am Sommerlager des „Freibundes“ in Deutschland teil und fuhren mit der Gewissheit nach Hause, „auch in Österreich etwas derartig Großes und Tiefes entstehen zu lassen“. Das Ergebnis war 2006 die Gründung des Jugendbunds „Sturmadler“.

Schon der BHJ verfügte über gute Kontakte zu anderen europäischen extrem rechten Jugendverbänden und bis heute pflegt der „Freibund“ den Austausch mit Organisationen wie der französischen „Europe Jeunesse“ (EJ) und dem belgischen „Vlaams Nationaal Jeugdverbond“ (VNJ), die neben dem „Freibund“ heute zu den wichtigsten Jugendorganisationen der Neuen Rechten in Europa zählen. In der „Na Klar!“ (Nr. 94, 2002) berichtet „Irmgard“ von ihrem Besuch bei der flämischen VNJ, die 2006 auch Kontakte zur mittlerweile verbotenen HDJ pflegte. Neben der „Idee eines Europas der verbündeten, eigenständigen Völker“, bewundert die Autorin des Beitrags die VNJ wegen ihrer „zum Teil radikalen Reden (…) keiner scheute sich hier zu sagen, was er denkt und wofür er sich einsetzt“. Seit 2001 findet auch ein intensiver Austausch mit der französischen EJ statt. Im Interview mit der „Na Klar!“ (Nr. 95, 2003) erklärte „Romain“ von der EJ, dass sich die „Europe Jeunesse und der Freibund (…) darauf konzentrieren (müssen), die Elite von morgen zu bilden“.

 

Fazit

 

Zwar versucht der „Freibund“ sich in die Traditionen der bündischen Jugendbewegung einzureihen und eine politisch Wandlung zu suggerieren, doch er kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er noch immer eine politisch motivierte Gemeinschaft ist, die ihre Mitglieder von Kindheit an völkisch erzieht, zum Teil revanchistische Vorstellungen pflegt und ein Scharnier zwischen rechtskonservativen und extrem rechten Kreisen bildet. Der „Freibund“ ist fest angebunden an extrem rechte Strukturen und bietet mit seinem gemäßigten Auftreten für Anhänger des gesamten Spektrums zudem eine unauffällige Alternative zu der im März 2009 verbotenen HDJ.

 

* „Brüder im Osten und Westen“, aus: Der Fahrtenpass – Das Liederbuch des Freibundes, Göttingen 1995, Seite 26

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